In den vergangenen beiden Wochen habe ich mich weniger mit Wolle, als mit Geld beschäftigt. Genau genommen mit Altersarmut. Das war nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben. Weil ich über den Podcast von Madame Moneypenny gestolpert bin. Ich habe reingehört und bin hängen geblieben. 93 Folgen später (insgesamt sind es Stand heute 206. das heißt ein paar warten da noch auf mich) habe ich unfassbar viel recherchiert, gelesen, gehört und gelernt – und wenig gestrickt.
Dafür weiß ich jetzt, was ETFs sind und Anleihen und ‚analysis paralysis‘, was Asset Allocation bedeutet, warum Diversifikation wichtig ist, wie meine Risikobereitschaft ist, was der Unterschied zwischen physischer und synthetischer Replikationsmethode ist und – das ist vielleicht das Wichtigste – dass sich der Umgang mit Geld lernen läßt. Es ist noch nicht mal schwer. Ein bißchen wie Vokabeln lernen.
Ich weiß auch, warum ich das jetzt lernen möchte. Was mein Ziel ist, wo ich hin will, wie das funktionieren könnte und dass ich das Thema nicht mehr loslassen werde. Nie mehr sowas wie „ja, … da müßte ich vielleicht auch mal ran“ oder „das verstehe ich eh nicht ….“ Klar war es praktisch in Gelddingen immer einfach nur meine Mutter anzurufen, meine große Schwester oder – wenn beide nicht helfen konnten (kam eigentlich nicht vor) – die Bankberaterin und dann zu tun, was mir gesagt wurde. Aber noch cooler ist es, jetzt zu wissen, was ich tue, was es kostet (oder gerade nicht) und wo es mch hinführt.
Bei allem weiß ich, dass ich Glück habe. Nicht nur, weil ich gut ausgebildet bin. So lange ich denken kann, hat sich immer meine (berufstätige) Mutter um die Finanzen gekümmert, nicht mein Vater. Das hat mich geprägt. Ohne darüber nachzudenken, habe ich (haben wir: der Mann und ich) das übernommen.
Kein Konto auf meinen Namen? Kein eigenes Geld? Beides war nie eine Option. Alle Rechnungen, Daueraufträge, Versicherungen, Steuererklärungen landen bei mir. Alles (bisher) im Blindflug. „Ich leg Dir das mal auf den Schreibtisch“ ist ein Klassiker. „Haben wir Geld?“ auch.
Und doch ist unsere Arbeitsteilung ansonsten leider traditionell …. Auch wenn ich bis zur Geburt des Teenagers mehr gearbeitet und mehr verdient habe als der Mann – seither bin ich in Teilzeit. Bekloppt, oder?!
Und damit sind wir nicht alleine. Die Erwerbsbiografien von Frauen sind immer noch deutlich häufiger unterbrochen, als die der Männer. Egal, wie gut sie ausgebildet sind, egal, wie gleichberechtigt Paare leben. Spätestens wenn das erste Kind auf die Welt kommt, sind traditionelle Rollenmuster wieder da: Haushalt, Kind(er), Teilzeitjob, Altersarmut für Frauen – Gehaltserhöhungen, Karriere, Altersvorsorge bei Männern. Ein Vorsprung, der sich nie mehr aufholen läßt und der mit jedem Kind krasser wird. Und so lange es Regelungen wie das Ehegattensplitting gibt, wird sich das wohl auch nie ändern.
„Über Geld spricht man nicht“ – war das bei Euch auch so? Geld als Tabuthema, das ist deutsch. Quer durch alle Bildungs- und Einkommensschichten. Anders in Oregon, als ich dort in den 90ern gearbeitet habe: Lohn, Gratifikationen, finanzieller Erfolg – alles wurde offen besprochen. Und gezeigt.
Statistiken zu Folge lebt heute jede vierte Frau in Deutschland unter 40 überwiegend vom Geld ihres Partners. Nochmal: Jede vierte Frau unter 40! Gleichzeitig lag 2020 die Scheidungsrate bei 38,52%. Ehevertrag? Absicherung? Pustekuchen. Alleinerziehende Mütter arbeiten häufig im Niedriglohnbereich und in systemrelevanten Berufen; 43% von ihnen gelten als „einkommensarm“*. Was das für die Rente bedeutet, kann man sich ausrechnen: Altersarmut ist weiblich!
Lösen läßt sich das nicht. Zumindest nicht so einfach. In der Theorie mag es ja funktionieren, dass Mütter Vollzeit arbeiten, dass Eltern sich die Arbeit im Haushalt teilen, dass beide einen gut bezahlten Job haben und in jungen Jahren anfangen fürs Alter vorzusorgen – aber in der Praxis ist es kompliziert. Vieles davon ist für viele Paare überhaupt nicht machbar. Weil es nicht genug Kindergartenplätze gibt oder keine Jobs oder jobbedingt Fernbeziehungen oder Scheidung(en) oder pflegebedürftige Angehörige oder alles zusammen.
Und was dazu kommt: wenn sich Jede nur noch um sich selber kümmert, wenn Altersvorsorge und finanzielle Rücklagen in der Verantwortung des Einzelnen sind und nicht mehr gesellschaftliche Verantwortung, wenn weiterhin Reproduktionsarbeit der Produktionsarbeit nachgeordnet wird – was wird dann aus uns? Wer setzt sich dann noch für das Gemeinwohl ein? Wer kann sich das dann überhaupt noch leisten? Wie gesagt: es treibt mich um.
Wir müssen darüber reden!
So lang sollte dieser Blogpost gar nicht werden. So düster auch nicht, an einem so sonnigen Oktobertag. Und doch … Wenn Ihr es bisher nicht gemacht habt, kann ich Euch nur dringend dazu raten, Euch mit dem Thema privater Altersvorsorge, finanzieller Unabhängigkeit und vielleicht sogar Vermögensaufbau zu beschäftigen. Fangt einfach irgendwo an. Es muss ja nicht der Podcast von Madame Moneypenny sein. Könnte es aber.
Es ist so (so!) wichtig!
Für all jene, die jedoch in erster Linie wegen des Strick-Contents hierher gekommen sind: die Bilder zeigen meinen #IsabelsInfinity, das ist das neueste Design von Sophia. Ein superschöner … ja, was eigentlich … Loop, Schal, Tuch, Mantilla. Aus weicher Regia Premium Cashmere (2 Knäuel) und noch viel toller, als ich es erwartet hatte. So toll, dass ich unbedingt noch mehr und andere (Trage)Bilder machen will und werde.
Genau genommen hat dieses schöne Teil einen eigenen Blogpost verdient. Gleichzeitig weiß ich, dass Sophia wohl alles unterschreiben würde, was ich gerade geschrieben habe. Wahrscheinlich würde sie sogar noch einen drauf setzen. Lest bitte unbedingt die Lebensgeschichte der schönen Isabel Moctezuma in ihrem aktuellen Blogpost. Diese ‚royale Rebellin‘ hat zwar auch nicht in die Rentenkasse eingezahlt, aber trotzdem ihren Weg gemacht.
Und jetzt auf zum #SamstagsRant, ähm … #Samstagsplausch
* Zu all den im Blogpost genannten Zahlen gibt es Studien, Statistiken, Nachweise im Netz. Wäre das hier eine wissenschaftliche Ausarbeitung, würde ich sie als Quellen angeben. Ist es aber nicht.
Gehe voll mit dir einig. Ein gutes mütterliches Vorbild ist Gold wert. Meine Finanzen habe ich im Griff. Und ja, es ist wichtig.
Nur, wenn das Bankensystem, der Kapitalismus zusammenbrechen (und das wird passieren), ist nochmals alles anders. Vorsorge sieht heute anders aus als noch vor zwei Jahren.
Liebe Grüsse von Regula
Ich unterschreibe alles, und setze wie erwartet einen drauf: Ich finde der entlohnte Partner sollte für die Dauer der unbezahlten Arbeit (auf die man sich ja hoffentlich gemeinsam geeinigt hat) mindestens die Zahlungen in die Rentenkasse vornehmen.
Das zeigt a) die wirklichen Kosten der Fürsorge-Arbeit und b) sitzt Partner II am Ende nicht ohne Rücklagen da.
Das muss ja auch nicht ins öffentliche Rentensystem sein, aber…
(Und dein Infinity-Mantilla-Loop-Cowl ist soooo schön! Ich hätt gern Zeit um noch einen in marine für mich zu Stricken 🤩)
Darüber nachzudenken ist es absolut wert.
Anhören bestimmt auch. Wenn mein Kopf wieder etwas Platz hat
Liebe Grüße und das Tuch/Schal verdient einen eigenen Post
Andrea
Voll erwischt. Auch ohne Kinder könnte ich trotz guter Ausbildung von meiner Rente nur knapp leben. Wir sind durch Selbständigkeit gut versorgt und mein Mann hat bei uns die Finanzen im Auge. Also werde ich mich schleunigst mit Miss Moneypenny beschäftigen. Liebe Grüße und vielen Dank für den Anstoß, Susanne