Monatelang habe ich keine Sudokus mehr gemacht. Nun habe ich wieder damit angefangen. Jeden Tag sind zwei in der Tageszeitung: ein mittleres, ein schweres. Manchmal löse ich das Schwere im Handumdrehen, manchmal scheitere ich am… Mehr
Gleichberechtigung
Frauen haben „mit Gleichberechtigung übertrieben“ hat eine Freundin neulich gesagt und Quotenfrauen seien „totaler Quatsch“. Wir sind daraufhin kurz aneinander geraten. Aber eben nur kurz und seither rumort das in mir. Weil beides so unbedingt gegen meine Überzeugungen geht und weil es von einer Freundin kam.
Deshalb wieder mal keine Wolle heute. Stattdessen meine Gedanken zu Gleichberechtigung und Quotenfrauen.
Frauen haben „mit Gleichberechtigung übertrieben“ – Auslöser für diesen bemerkenswerten Satz war die Tatsache, dass sie, beide Arme voll, in der U-Bahn stand und den Knopf nicht drücken konnte, der die Tür öffnet. Der Mann neben ihr war leider keine Hilfe. Warum auch immer. Spontan würde ich vermuten, er war gedanklich woanders oder am Handy oder müde oder einfach unhöflich. Die Freundin sah das anders: Weil es eben diese Frauen gibt, die „übertrieben“ haben, werden nun alle Frauen behandelt wie Männer und man hält ihnen die Tür nicht mehr auf. Der starke Mann, die schwache, schutzbedürftige Frau …
Da fällt mir so viel zu ein, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Vielleicht mit dem Hinweis, dass das Aufhalten einer Tür eine Höflichkeitsgeste ist, die meines Erachtens von Allen und für Alle praktiziert werden sollte, unabhängig vom Geschlecht. Weil es dabei um Freundlichkeit geht, um Aufmerksamkeit, vielleicht auch um Respekt, auf jeden Fall um Höflichkeit, aber nicht um Gleichberechtigung.
Und ja, natürlich macht es Sinn, dabei auf verbale oder nonverbale Signale zu achten (es gibt eben immer noch Männer, die das Aufhalten der Tür als Kränkung empfinden) und ggf. aufgezeigte Grenzen zu respektieren, aber ich bin überzeugt, die meisten Menschen nehmen es gerne an.
Viel wesentlicher ist jedoch: Gleichberechtigung ist mehr als rechtliche Gleichstellung; sie bedeutet Chancengleichheit in allen Lebensbereichen. Und nein, das heißt nicht, dass alle Menschen von Natur aus faktisch gleich sind oder gleichgemacht werden sollen. Gleichberechtigung heißt, dass Männer und Frauen die gleichen Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Entfaltung haben, ohne durch Geschlechterstereotype oder strukturelle Benachteiligungen eingeschränkt zu werden. Punkt!
Keine Diskriminierung mehr und keine ungerechtfertigte Privilegierung. Ich wüßte nicht, wie man das „übertreiben“ soll – im Gegenteil! Da kann man gar nicht genug für tun.
Ganz oben steht da für mich die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Gewalt, die auf Ungleichheit und Machtmissbrauch basiert und sich in unterschiedlichsten Formen manifestiert: emotional, physisch, sexuell. Laut dem Bundeslagebild Häusliche Gewalt haben im Jahr 2023 insgesamt 180.674 Frauen häusliche Gewalt in Deutschland überlebt. Die Dunkelziffern werden weit höher sein. Im gleichen Jahr wurden 155 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Ein Anstieg um 16,5% im Vergleich zum Vorjahr!
Jede Frau weiß, wie es ist, nachts die Strassenseite zu wechseln, weil jemand hinter ihr geht. Dunkle Strassen und Parks zu vermeiden. Jede kennt Cat Calling (also die Bewertung ihres Äußeren, Beleidigungen aufgrund ihres Geschlechts, sexuelle Annäherungsversuche, anzügliche Bemerkungen und dergleichen mehr). Das kann man zur Anzeige bringen, aber verboten, wie in anderen Ländern, ist es nicht.
Dann wäre da die konsequentere Durchsetzung von Lohngleichheit. Frauen verdienen selbst bei gleicher Qualifikation, Verantwortung und Berufsbiografie weniger als Männer. Gründe dafür sind (neben dem Vorurteil, dass Frauen weniger wert sind) zum Beispiel Karriereunterbrechungen und Teilzeitjobs – beides häufig verursacht durch die ungerechte Verteilung unbezahlter Sorgearbeit.
Obschon gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die fair zwischen allen Geschlechtern aufgeteilt werden sollte, ist Sorgearbeit immer noch primär Aufgabe von Frauen. Als wären Männer nicht Väter der Kinder, die betreut werden müssen, oder Söhne von pflegebedürftigen Menschen. Als würden sie nicht wissen, dass Sorgearbeit lebenswichtige Tätigkeiten umfasst, ohne die weder unsere Gesellschaft noch die Wirtschaft funktioniert.
Geld, Macht und Zeit sind ungleich und unfair verteilt, was die wirtschaftliche Abhängigkeit vieler Frauen verstärkt. Alles wäre sicher einfacher, wenn es eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (für Eltern, die arbeiten müssen und Eltern, wie arbeiten wollen) gäbe. In einer Emnid-Umfrage haben 51% der befragten Frauen die Doppelbelastung durch Familie und Beruf als Grund für aufgegebene Karrierewünsche angegeben. Ich kann das so gut verstehen.
Und so arbeiten die meisten Frauen immer noch in schlecht bezahlten Branchen und Berufen: Als Erzieherin (96% Frauenanteil), Krankenpflegerin (87% Frauenanteil), Sekretärin (88% Frauenanteil), Friseurin (89% Frauenanteil), Grundschullehrerin (89% Frauenanteil) oder Verkäuferin im Einzelhandel (79% Frauenanteil). „Frauenberufe“, die sich historisch aus traditionellen, häuslichen Tätigkeiten von Frauen entwickelt haben. Berufe, die gesellschaftlichen Rollenbildern entsprechen, bei denen „Fürsorglichkeit“ oder „Unterstützung“ mit weiblichen Eigenschaften assoziiert werden. Aber eben auch Berufe, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexiblere Arbeitszeiten bieten. Ich wünsche mir eine Aufwertung eben dieser Berufe.
Und dann ist da noch – tadaa! – die Förderung von Frauen in Führungspositionen, etwa durch Quoten. Womit ich bei dem „totalen Quatsch“ der Quotenfrauen bin. Ob ich das gut finde? Nein, finde ich nicht. Aber anders scheint es offensichtlich nicht zu gehen.
Wir brauchen leider Quotenfrauen. Sonst wird das nichts mit der Gleichstellung von Frauen in Führungspositionen. Denn trotz des Grundsatzes der Gleichberechtigung im Grundgesetz seit 1949 ist die Realität in den Chefetagen deutscher Unternehmen eine andere. Frauen sind in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert, obwohl sie ebenso hervorragend ausgebildet, qualifiziert und leistungsbereit sind wie ihre männlichen Kollegen. Daran haben bisher weder die Selbstverpflichtung der Wirtschaft vor zehn Jahren, noch das Zweite Führungspositionengesetz, das am 12. August 2021 in Kraft trat, etwas geändert.
Kurz: die Unternehmenskultur ist von Männern dominiert, die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind (vorsichtig formuliert) ungünstig und Beides wird sich von alleine niemals ändern.
Die Quote hingegen zwingt Unternehmen dazu, aktiv nach qualifizierten Frauen zu suchen und ihnen Chancen zu bieten. Angenommen also das klappt und in absehbarer Zeit kommt eine kritische Masse von Frauen in Führungsetagen, dann könnte das eine echte Trendwende sein. Wir würden das volle Potential aller Talente nutzen (und nicht nur 50%), die Arbeitswelt wäre vielfältiger und gleichzeitig auch gerechter, Diversität wäre eine Stärke und die verschiedenen Fähigkeiten von Männern und Frauen könnten für eine moderne Führung genutzt werden.
Bei allem ist die Quote kein Allheilmittel, aber (auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole) ein echt wichtiger Schritt auf dem Weg zu tatsächlicher Gleichberechtigung. Oder, um es mit Ex-Bundeskanzlerin Merkel zu sagen, man kann es „nicht vernünftig finden“, dass es börsennotierte Unternehmen ohne eine einzige Frau im Vorstand gibt.
Fun Fact: Studien zeigen übrigens, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in Führungspositionen bessere Ergebnisse erzielen, wirtschaftlich erfolgreicher und innovativer sind. Außerdem wirken sich Frauen in Führungspositionen positiv auf die Motivation der Mitarbeitenden und das Arbeitsklima aus. Cool, oder? Vielleicht schreibe ich darüber auch mal.
So! Zwischen meinem ersten Entwurf und dem, was hier jetzt noch steht, liegen WELTEN! Ich habe das, was ich ursprünglich geschrieben habe, immer wieder überarbeitet, Emotionen, Ausrufezeichen und fett Gedrucktes entfernt, mich sortiert und mich wieder beruhigt.
Unverständnis bleibt dennoch.
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(Für einen Moment) freie Nadeln
Freie Nadeln – wann konnte ich das jemals schreiben?! Habe ich das überhaupt jemals geschrieben? Fakt ist: sie sind tatsächlich alle frei. Liegen hier rum. Bis auf eine einzige Rundstricknadel, an der ein täglich wachsendes Paar Socken (Mount Moccos von REGIA) hängt. Geplant waren die nicht.
Nur Wollreste, die mir in die Hände fielen, zusammen gut aussahen und verarbeitet werden wollten. Leider sind beide Knäuel ohne Banderole und so hoffe ich nun, dass der Faden in den schönen Beerentönen reicht …
Ebenfalls aus Wollresten habe ich an den ersten Tagen des neuen Jahres viele kleine Bären gestrickt. 6 gr. Sockenwolle für jeden, 1,75er Nadeln, jeder um die 10 cm groß, jeder mit eigenem Charakter und eigenem Pullover.
Zwei haben mich schon verlassen: der mit dem Ringelpullover spielt jetzt mit einem kleinen Mädchen. Der mit dem roten Herzen auf der Brust tröstet meine Nachbarin. Zwei neue Bären sind „nachgerückt“. Alle werden sie eine Aufgabe finden.
Und dann?
Eine der großen Patentöchter hat sich einen Olga Sweater gewünscht. In „Mimosen-Garn“, das heißt, lieber nicht im Originalgarn (Peer Gynt von Sandnes), sondern weicher. Mir soll’s recht sein. Bunte Ringel über vier Reihen werden mit jedem Garn von den Nadeln fliegen, da bin ich mir sicher. „Nur noch eine Farbe, dann lege ich es weg“ – das kennen wir alle. Das klappt sowieso nicht.
Auf der Suche nach Garnalternativen habe ich den FjordMosaic Pullover entdeckt. Seither verfolgt er mich, weil er so unglaublich schön ist, dass ich das Bild kaum angucken kann, ohne ihn auf den Nadeln haben zu wollen. Mal sehen, wie das ausgeht … Noch bin ich standhaft.
Stattdessen packe ich kleine „Stricken-to-go“ Taschen mit Nadeln und Faden für das eine oder andere Paar Socken in der U-Bahn, für längere Autofahrten als Beifahrerin, für Wartezeiten hier und da und so wird sich das mit den freien Nadeln wohl bald wieder erledigt haben.
Soviel ist sicher: Ich werde viel stricken in den nächsten Wochen. Mehr als sonst! Sonst wird der Kopf weder hell noch frei. Geht es Euch auch so? Die anstehenden Wahlen, verbunden mit der Sorge um’s Land, die Amtseinführung in den USA mit der Sorge um die Welt – es treibt mich um.
Stricken unter der Bettdecke und dort für vier Jahre bleiben … das würde ich gerne, werde ich aber nicht. Anderen scheint es ähnlich zu gehen, behauptet das New York Times Magazine: „Michelle Obama isn’t sick – She just hates Trump“ haben sie vergangene Woche getitelt. Ob’s stmmt? Egal.
I feel you, Michelle Obama.
Ich denke, ich werde mit einer Maschenprobe für den Olga Sweater anfangen. Ausgerechnet blau (Demokraten) und rot (Republikaner) hat sich die Patentochter ausgesucht. Vier Reihen so, vier Reihen anders. Und dann von vorne.
Passt ja …
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5 Tage in Lissabon
Zwischen den Jahren waren wir in Lissabon. Fünf Tage, auf die ich mich sehr gefreut habe, weil wir (abgesehen von vier Tagen an der Ostsee) in 2024 kaum eine Auszeit, geschweige denn Ferien hatten, und – natürlich – weil ich diese Stadt schon lange unbedingt sehen wollte! So viel hatte ich schon gehört über Architektur, Licht und Menschen.
Mittlerweile sind wir (längst) zurück und es war wirklich wunderbar! Jeden Tag verläßlich blauer Himmel, 15 Grad, aber gefühlt eigentlich wärmer. Pullover-Wetter sozusagen. Jeden Tag sind wir deutlich über 20.000 Schritte gelaufen und haben so ziemlich jedes öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Wir sind Fähre gefahren zur Statue Christo Rei und mit dem Bus über die „Golden Gate Bridge“ (die so nicht heißt, aber so aussieht) wieder zurück. Mit der Bahn nach Belem und von da weiter nach Cascais.
Ich hatte die Füße im Meer, bin ungezählte Treppen auf und ab gelaufen, war im Wollladen und auf einer Walking Tour. Ich habe jede einzelne bunte Fliese bewundert, jeden Tag Pasteis de Nata gegessen und fast jeden Tag Fisch. Eine meiner liebsten Freundinnen ist ebenfalls nach Lissabon gekommen, hat Silvester für uns gekocht und im Anschluß haben wir das Feuerwerk von einer Dachterrasse aus gesehen: 10 Minuten bunte Raketen – das war’s. Wenn es hier doch auch so wäre! 12 Rosinen um Mitternacht, zu jeder ein Wunsch, feiernde Menschen in den Straßen und am nächsten Morgen alles schön, kein Dreck, hier und da buntes Konfetti im Kopfsteinpflaster.
Doch, es war wirklich richtig schön!
Gleichzeitig hat es mich traurig gemacht zu sehen, wie arm diese Stadt ist und was Tourismus mit ihr macht. Der Mindestlohn liegt bei 4€/Std, das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 20.000€. Das ist nicht viel. Viertel wie Alfama werden von Prominenten und Investoren aufgekauft und saniert, wobei meist nur die Fassaden der alten Häuser erhalten bleiben. In der Innenstadt gibt es mittlerweile mehr Ferien- als Mietwohnungen.
In Supermärkten, Souvenir-Shops, Restaurants und Cafés wurden wir fast ausschließlich von Bangladeshi bedient. Ich hatte keine Ahnung, dass es in Lissabon eine so große Community gibt. Genausowenig habe ich vorher darüber nachgedacht, wie viele Menschen aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien auf der Suche nach Glück in die Stadt gekommen sind.
Ungezählte Restaurants und Cafés. Vor jeder Tür wird geworben, sich doch wenigstens das Menü anzusehen. Die Stadt braucht den Tourismus und gleichzeitig ist es gruselig zu sehen, wie die Massen – sogar im Winter – in die Stadt drücken, sich durch die Straßen schieben. So schwierig, diese Balance zwischen touristischer Attraktivität und Lebensqualität für Einheimische. Das ist auf lange Licht sicher eine der zentralen Herausforderungen in Lissabon.
Sehr, sehr beeindruckend alles! In jeder Hinsicht. Portugiesisch werde ich wohl dennoch nicht lernen. Mal sehen. Aber vorher möchte ich aufschreiben, was ich vor dieser Reise gerne gewußt hätte, aber trotz Reiseführern und Podcasts nicht wußte. Für’s nächste Mal sozusagen.
Um direkt mit Podcasts zu beginnen: Allen, die englisch sprechen und die gerne Podcasts hören, empfehle ich unbedingt „The Rest is History“. In den fünf Folgen (227-230 und 273) aus 2022 sprechen die Hosts – die Historiker Dominic Sandbrook und Tom Holland – über die Geschichte Portugals von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Vor allen Dingen Folge 230 (Portugal: Football, Fado, and Fascism?) hat mich auf unserer Reise begleitet.
Lissabon wird auch Stadt der 7 Hügel genannt; gefühlt sind es deutlich mehr, ständig geht es bergauf und bergab. Zum Teil so steil, dass die engen Straßen Treppen sind. Wir hatten an Tag 3 Muskelkater in den Waden, der uns bis Berlin erhalten blieb …
Dann sind da die Bürgersteige: Calçada Portuguesa heißt die charakteristische Pflasterung, die aus handbearbeiteten weißen Kalksteinen und schwarzen vulkanischen Basaltsteinen besteht, die auf vielen Plätzen, aber eben auch auf Bürgersteigen zu Mustern zusammengesetzt sind. Leider sind diese, von sog. Calceteiros gelegten Kunstwerke nicht nur uneben, sondern auch superglatt. Wer nicht konstant auf den Boden vor sich guckt, wer Schuhe mit Absätzen trägt, wird früher oder später ausrutschen, stolpern oder sogar fallen. Aber nicht nur das. Die Bürgersteige sind obendrein ungewohnt schmal, so dass eigentlich immer eine Person auf die Straße ausweichen muss, wenn man sich entgegenkommt oder andere überholen möchte. Ausweichen auf Straßen, die ohnehin zu voll sind mit Autos, konstantem Stau, Bussen und Straßenbahnen …
Wer deshalb lieber nicht laufen möchte, nimmt in Lissabon öffentliche Verkehrsmittel. Es gibt vier U-Bahnlinien, außerdem Busse und fünf Straßenbahnlinien, die sog. Elétricos. Letztere schaffen Steigungen bis 13,5% und gehören zu den Wahrzeichen der Stadt. Sie sehen aus wie die Cable Cars in San Francisco und haben die gleiche Aufgabe: sie überwinden die Hügel der Stadt, sind Transportmittel und touristisches Ereignis.
Tickets kauft man an Automaten, wobei beim ersten Mal für 50 cent eine Karte mitgekauft wird, die in Folge immer wieder aufgeladen werden kann (das heißt im Automaten-Display „zapping“). Jede Fahrt, mit egal welchem Verkehrsmittel, kostet 1,80 Euro. Die Fahrtrichtung orientiert sich (wie in anderen Großstädten auch) an der Endhaltestelle.
Besonders in den überfüllten Elétricos, in Menschenansammlungen und in beliebten Stadtvierteln wie Baixa und Alfama werden Reisende n Lissabon täglich von Taschendieben bestohlen. Eigentlich wissen wir es alle: man sollte Wertsachen sicher am Körper tragen, wenig oder kein Bargeld dabei haben, nichts im Auto liegen lassen und grundsätzlich einfach wachsam sein. Aber dann ist man doch mal nachlässig oder müde, läßt sich ablenken oder wird angerempelt …
Wem das passiert (uns zum Glück nicht): es gibt eine Touristenpolizei am Praça dos Restauradores. Sorgen um die eigene Sicherheit muss man sich jedoch nicht mehr machen als an anderen Orten: Lissabon gehört nicht zu den Top 10 der Städte mit dem höchsten Diebstahlrisiko in Europa, und Portugal gilt insgesamt als eines der sichersten Länder weltweit.
Die schöne Stadt wird auch Stadt des Lichts genannt. Licht, das vom Fluß Tejo reflektiert und verstärkt wird. So klar und intensiv, dass ich auch Ende Dezember (und definitiv im Sommer) Sonnenbrille und/oder Base Cap unbedingt empfehle. Beides kann man ja Abends absetzen, wenn der Sonnenuntergang die Stadt in warmes, goldenes Licht taucht. Alleine für dieses Licht hat sich die Reise gelohnt.
Was noch? Lissabon bietet zahlreiche öffentliche WLAN-Hotspots in der ganzen Stadt. Außerdem gibt es kostenlose WLAN-Netzwerke an verschiedenen öffentlichen Orten (Rossio Square und Praça do Comércio zum Beispiel).
Deutlich skuriler ist die Stromversorgung, mit ihren auf Putz oder auf Fliesen verlegten Kabeln. Die Stadt mit ihren engen Gassen und alten Häusern bietet wenig Möglichkeiten, Stromleitungen konventionell zu verlegen. Hinzu kommt, dass die Elektrifizierung tatsächlich erst Anfang der 1980er Jahre (kein Tippfehler) begann. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach der Salazar-Diktatur war die oberirdische Verlegung die schnellste und kostengünstigste Methode, um flächendeckend Strom bereitzustellen. Also wurden die Kabel kurzerhand außen an den Häusern befestigt. Das schonte die historische Bausubstanz, war schnell umzusetzen und deutlich kostengünstiger als aufwendige Unterputz-Installationen. Weder historische Fassaden noch Fliesen mussten beschädigt werden, und Techniker konnten (und können bis heute) die Leitungen leicht(er) warten.
Heute sind die wild verlaufenden Stromkabel an den Hauswänden charakteristisches Element der Lissabonner Stadtlandschaft. Ebenso wie die Azulejos, die schönen Fliesen. Ursprünglich nur blau und weiß, verzieren und isolieren sie bis heute viele der alten Häuser.
Im 14. Jahrhundert kamen die ersten Azulejos nach Portugal. 1560 wurde dann in Lissabon die erste Töpferwerkstatt gegründet, die sich auf die Herstellung dieser Fliesen spezialisierte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie schließlich zunehmend industriell und zu geringeren Kosten hergestellt, was sie zu einem grundlegenden Element der portugiesischen Architektur gemacht hat. Heute sind Azulejos nicht nur ein traditionelles Element, sondern auch ein Medium für moderne Kunst. Es gibt zahlreiche Werke zeitgenössischer Künstler, die Fliesen in öffentlichen Räumen einsetzen.
Die traditionellen, alten Fliesen findet man mittlerweile auch auf den großen Flohmärkten der Stadt. Jedoch ist die Herkunft nicht immer klar. So hat man uns erzählt, dass sie häufig illegal an Fassaden abgebrochen werden, um sie an Touristen zu verkaufen. Und da ist sie wieder, die Balance zwischen touristischer Attraktivität und Lebensqualität für Einheimische, und damit auch das häßliche Wort mit G – Gentrifizierung …
Die Gentrifizierung hat Lissabon fundamental verändert. In historischen Stadtvierteln wie Alfama werden traditionelle Gemeinschaften systematisch verdrängt. Sechs Millionen Touristen jährlich stehen nur 500.000 Einwohnern gegenüber, was – logisch! – enorme Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hat. Alte Wohnungen wurden reihenweise in Ferienapartments umgewandelt, während einheimische Familien oftmals keine bezahlbaren Alternativen mehr finden, denn die Immobilienpreise sind explodiert.
Zwischen 2011 und 2018 stieg die Zahl der Ferienwohnungen in Lissabon von 500 auf 18.000, allein 10.000 davon in der Altstadt. Viele Alfacinhas (so der Spitzname für die Menschen in Lissabon) müssen nun in Vororte ausweichen oder landen in Notunterkünften, während Vermietende Eigenbedarf anmelden und die Häuser für Touristen umbauen.
Zum Glück gibt es mittlerweile konkrete Pläne, die Zahl der Ferienwohnungen in Lissabon zu begrenzen. Eine Bürgerinitiative hat fast doppelt so viele Unterschriften gesammelt wie nötig, um ein Referendum zu erzwingen. Ziel ist ein komplettes Verbot von Ferienwohnungen in Wohnhäusern. Sollte das Referendum (das in diesem Frühjahr stattfinden soll) erfolgreich sein, könnte dies etwa 20.000 Wohnungen zurück auf den regulären Mietmarkt bringen.
Rückblickend beschämt es mich zu wissen, dass wir in einer dieser Wohnungen gewohnt haben. Wenn wir wieder in diese schöne Stadt fahren – und das würde ich tatsächlich sehr gerne – brauchen wir eine Alternative. Was und wie das sein kann, weiß ich noch nicht. Aber ich verstehe so sehr, warum es vor allen Dingen so viele junge Menschen nach Lissabon zieht!
Lassen sich Arbeit und Freizeit – neudeutsch Workation – dort doch perfekt kombinieren. Das Klima ist wunderbar, die Arbeitsumgebung total inspirierend (finde ich) und überdies verfügt die Stadt mittlerweile über eine ziemlich coole Start Up-Szene mit modernen Co-Working Spaces, die speziell auf die Bedürfnisse digitaler Nomaden und Remote-Arbeitender ausgerichtet sind.
Ich könnte noch lange schwärmen und schreiben. Zum Beispiel über die köstlichen Pasteis de Nata. Wem das nichts sagt: das sind kleine portugiesische Blätterteigtörtchen mit cremiger Füllung, super süß, bestreut mit Zimt und sowas wie ein Nationalgericht.
Darüber schreibe ich vielleicht lieber irgendwann in einem zweiten Blogpost. Oder – noch besser! – Ihr ergänzt eigene Lissabon-Erfahrungen in den Kommentaren. Das würde mich sehr freuen 💙.
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Vorbei
Wieder ist ein Kalenderjahr vorbei, (für mich auch) ein weiteres Lebensjahr – so schnell, schneller noch als in den Vorjahren. Oder kommt es mir nur so vor? Der Kopf ist voll und doch will (noch?) nichts davon auf den Bildschirm, bzw. in mein Blog.
Dabei habe ich Silvester eine Schreibfeder aus Zinn gegossen. Schreibfedern symbolisieren „Kreativität und die Fähigkeit, Gedanken und Ideen auszudrücken“, steht auf der Umverpackung. Sie stehen für „Neuanfänge und die Möglichkeit, eigene Geschichten zu schreiben“.
Na dann 🙂
Es könnte aber auch ein Schuh sein. Reise? Veränderung? Fortbewegung? KI sagt, die Interpretation eines Schuhs ermutige dazu, „bewußte Entscheidungen auf dem Lebensweg zu treffen und sich auf bevorstehende Veränderungen einzustellen“. Passt auch.
Was immer kommt – 2024 ist vorbei, alles steht gefühlt wieder auf Anfang!
Vorbei sind auch die vielen linken Maschen der kleinen Jacke. Zum Glück! Erstmalig ein Projekt, bei dem ich mich tatsächlich auf die Ärmel gefreut habe. Zweifarbiges Stricken ist so viel einfacher in Runden und mit rechten Maschen.
Die Spannfäden sind hoffentlich kurz genug für Kinderfinger, die Knopflöcher habe ich umstickt und mit Pferd, Vogel, Schmetterling, Sternen, Schafen und Herzen hoffentlich den Geschmack eines Kindes getroffen. Es fehlen nur noch die Knöpfe. Schwarze hätte ich, silberne möchte ich. Oder bunte.
Aber erstmal werde ich heute Weihnachten zurück in Kisten packen und die auf den Dachboden bringen, ehe Montag wieder Alltag ist. Andrea schreibt heute, bei ihr sei alles durcheinander – ich kann das so gut nachvollziehen.
Draußen liegt seit gestern Abend Schnee … Schnee in der Stadt ist ganz weit unten auf meiner Wunschliste … Möge diese Winterepisode deshalb ebenso schnell vorbei gehen, wie die letzten Tage in 2024!
Euch allen ein Happy New Year 💫
21.594 Meter
59 Projekte habe ich 2024 begonnen und beendet. Darunter 8 Pullover, 22 Paar Socken, 9 Mützen und 7 Mal Pulswärmer.
21.594 Meter verstrickte oder verhäkelte Wolle. Und wie immer am Ende eines Jahres überrascht sogar mich (durch deren Hände die Fäden für jedes dieser Projekte gelaufen sind) diese Zahl. 21.594 Meter. Das ist verrückt!
Schließlich habe ich „nebenbei“ auch gearbeitet und geschlafen, mich um Haus und Garten gekümmert, gegessen, Freundinnen und Familie gesehen – kurz: all das getan, was man Leben nennt.
Highlights für mich waren definitiv die beiden Pullover fürs große Kind – der Nordkalottengenser und der Weihnachtspullover (in beiden verstecken sich viele Meter Wolle) – und die Erkenntnis, dass man Wolle besticken kann: geübt habe ich das an den Tor Socken und an Pulswärmern mit bunten Blumen.
Die meisten kleinen Herzen hat auf Ravelry jedoch ein anderes Projekt bekommen: der Anton Pullover mit seinen Punkten, den ich in Rowan Cotton Cashmere gestrickt habe. Wundert mich unverändert, dass den nicht Alle gestrickt haben, aber nein. Stand heute gibt es keine weiteren Verlinkungen auf Ravelry.
Am häufigsten getragen habe ich sicherlich das EasyPeasy Tuch. Am wenigsten (also tatsächlich nie) die Sneakersocken aus REGIA Virtuoso (zu warm im Sommer und mit nacktem Bein ungeeignet für den Winter), den Lakewood Cowl und den Vinnje Collar. Beide sind schön, aber für meinen Hals nicht gemacht. Warum auch immer.
Nun also 2025! Vielleicht poste ich am Ende nur eine große Collage aller fertigen Projekte. Das wäre auch mal was. Oder ich stricke weniger. Oder mehr? Wieviele Meter werden es? Wer weiß das schon …
Wie jedes Jahr hat es Spaß gemacht, hier zu zeigen, was ich mache, ein bißchen aus meinem Leben zu erzählen und ab und an „zurückzublättern“.
Danke, dass Ihr dabei wart. Danke für’s Mitlesen und für Eure Kommentare. Es ist so schön zu wissen, wie viele „da draußen“ sind, die ebenso wollverrückt sind wie ich oder einfach nur interessiert an dem, was ich tue. Ich freue mich sehr, wenn das so bleibt.
Aber jetzt stricke ich erstmal den Sophie Schal zu Ende, der hier noch liegt. Wäre doch gelacht, wenn es nicht doch noch 60 Projekte werden in 2024 😉
Zum letzten Mal in diesem Jahr verlinkt zu Andrea’s Samstagsplausch.