Der Sunday Sweater ist wirklich einfach. So einfach, dass ich mich zwischendurch vielleicht sogar geärgert habe, die Anleitung gekauft zu haben. Um nicht mißverstanden zu werden: ich zahle gerne für ein Design, um damit Idee und Arbeit einer Designerin zu honorieren. Und auch wenn es nicht schwer gewesen wäre, die Maschen des Sunday Sweater selber auszurechnen, habe ich ohne zu zögern 7 Euro dafür gezahlt, dass das jemand anderes schon für mich gemacht hat.
Allerdings gibt es den Sunday Sweater in der Mohair Edition, als Cardigan, als Cardigan in Mohair, als T-Shirt mit kurzen Armen und ganz klassisch. Dazu vier Varianten für Kinder (T-Shirt, Jacke, Pullover und Kleid).
Alles in allem macht das neun (!) Varianten der gleichen Idee. Jede der Anleitungen kann (und muss) selbstverständlich separat gekauft werden und das haben – alle Anleitungen zusammengenommen – Stand heute 9.869 Menschen gemacht. Das ist die Anzahl der Projekte auf Ravelry. Wild, oder?
Es scheint, als wäre der Sunday Sweater eine Gelddruckmaschine.
Dennoch! Auf dem Weg zur Messe habe ich ihn in der Bahn angefangen und mich auf der Strecke Berlin / Köln über die immer breiter werdenden „Strahlen“ gefreut. Aber die Freude hielt nur so lange, bis ich alles auf eine längere Nadel genommen habe … Das war der Moment, als ich die Passe zum ersten Mal geribbelt habe. Zwei weitere Male sollten folgen.
Aber der Reihe nach: den Sunday Sweater habe ich zuerst an einer Frau in einem Kreuzberger Café gesehen. Ich sah sie, ihren schönen Pullover, aber egal, wie sehr ich versuchte, mich zuerinnern – ich kam nicht auf den Namen des Designs. Sie war im Gehen begriffen, merkte, dass ich sie ansah, sah zurück und ich musste lachen. „Wie heißt der Pullover? Ich komme nicht auf den Namen,“ habe ich sie gefragt. „Sunday Sweater“ hat sie geantwortet und erzählt, dass es der erste Pullover sei, den sie je gestrickt habe. Ich dachte, dass man das an den Zunahmen sieht. Gesagt habe ich es natürlich nicht.
Unsere Unterhaltung dauerte nur einen Moment – einen schönen, warmen Moment, in dem zwei, die gerne stricken, sich auf Anhieb verstanden – dann ging sie. „Kanntest Du sie?“ fragte der Mann, als er an unseren Tisch zurück kam und ich sagte „Nein, aber sie strickt.“ Da hat er dann auch gelacht.
Eine Begegnung, ebenso zufällig, wie schön, die noch eine Weile in meinem Kopf blieb. Die passende Wolle lag zu Hause, die Anleitung war schnell gekauft und so war die Maschenprobe pünktlich zum Reisebeginn trocken und passte. Nichts konnte mich aufhalten – dachte ich.
Um es kurz zu machen: Zunahmen aus dem Querfaden sind niemals unsichtbar und in linken Maschen eine Katastrophe. Drei Mal habe ich die Passe geribbelt, in immer länger werdenden Runden wieder und wieder die Zunahmen gestrickt, versucht, die Fadenspannung anzupassen oder Alternativen zu finden … aber perfekt wurden letztlich nur die Zunahmen in den linken Maschen. Die rechten wollten nicht werden. Die beste Variante habe ich dennoch gelassen und auf Ravelry hinterlegt, um dann, Runde für Runde, den Körper zu stricken.
Aber der Monk gab keine Ruhe. Mag sein, dass niemand die Zunahmen je gesehen hätte, aber mich haben sie gestört. Zwischenzeitlich hatte ich andere Sunday Sweater auf der Messe gesehen. Jeder (wirklich jeder!) mit deutlich sichtbaren, vor allen Dingen linken Zunahmen. Aber von 9.869 Sunday-Sweater-Cardigan-Tee-Besitzerinnen hat auf Ravelry niemand damit gehadert. Nur ich. Verrückt!
Mein Bild für Instagram war schon fertig, aber anstatt es zu posten, habe ich eine WhatsApp-Nachricht an Sophia geschickt.

Die Antwort kam wie immer sofort und was soll ich sagen … man weiß doch immer, wen man fragt. Also habe ich die Nadel rausgezogen, den Pullover-Torso anprobiert, festgestellt, dass er passt und dann den Sunday Sweater zurück in fünf Wollknäuel verwandelt. Die Wolle – eine Mischung aus Lamm, Alpaca und Baumwolle, die es vor mehr als 20 Jahren bei Lang gab und seither nicht mehr – hat das anstandslos mit sich machen lassen.
Einen Abend lang habe ich erleichtert immer mal wieder auf die Knäuel geguckt. Danach habe ich die Anleitung förmlich auf den Kopf gestellt: bottom-up statt top-down! Provisorischer Maschenanschlag für den Körper (um später die Länge noch variieren zu können), viele eintönige Runden in der Farbe von Haferflocken, schließlich die Ärmel. Italian Cast-On (den mag ich sehr gerne mittlerweile) und ganz normale Ärmel, nicht die Ballonärmel der Anleitung. Schließlich alles auf eine lange Nadel, dann die verkürzten Reihen gestrickt und endlich die schönen Strahlen, die den Sunday Sweater zum Sunday Sweater machen.
Die erste Abnahme inmitten der linken Maschen machte sich gut, eine weitere Abnahme wenige Reihen später in den rechten Maschen auch und jetzt weiß ich, dass es gut wird.
Alles wird genau so, wie ich es haben wollte. Sogar das Wetter! Kommende Woche ist wieder kühler, dann kann ich ihn tragen.
Verlinkt zum Samstagsplausch von Andrea Karminrot