Die Zeit anhalten

Die Zeit anhalten – manchmal wünsche ich mir das. Jetzt zum Beispiel, wenn Rosa durch alle Fenster kommt, weil die große Zierkirsche im Garten das Licht reflektiert. Oder wenn es draußen so warm, sonnig und friedlich ist, dass ich für einen Moment nicht an Krieg oder Corona denke.

Immer mal wieder möchte ich auch die Zeit anhalten bei dem Gedanken, dass der Teenager in drei Wochen die ersten Abiturklausuren schreibt. So dankbar ich bin, dass es momentan (wieder) danach aussieht, als könne er sich im Sommer in die Welt aufmachen – so wenig kann ich es glauben.

Die Zeit interessiert das nicht. Sie läuft und läuft.

Nur wenn ich unpässlich bin (unpässlich – was ist das überhaupt für ein Wort?), wenn ich ausfalle, wie in der vergangenen Woche, gelingt es mir, sie anzuhalten. Egal, ob Schreibtisch oder Wäsche oder Garten – alles bleibt dann, wie es ist. Verharrt und scheint auf mich zu warten. So, wie die Weihnachtssterne im Wohnzimmer. Irgendwann knüpfe ich dann an, wo ich vorher aufgehört hatte und alles bewegt sich wieder …

Die Sterne lasse ich trotzdem hängen.

Dank bei dieser Gelegenheit an die Lieblingskrankenschwester für Nachricht im richtigen Moment. Zu wissen, dass andere (Frauen) mich verstehen, macht es zwar nicht besser, aber leichter.

Gar nicht so viel Zeit ist vergangen, seit ich angefangen habe, mir (ohne Anleitung) eine Jacke aus Schachenmayr Wool 125 zu stricken. Vergangene Woche ist sie fertig geworden. Erschrocken habe ich mich allerdings, als sie lappig und schwer aus der Waschmaschine kam. Nur die Zuversicht der Strickmamsell hat mich getröstet. Und wie so oft hatte sie Recht: mit dem Trocknen kam auch die Griffigkeit, das Feste der Wolle zurück.

Die fertige Jacke passt perfekt! Es fehlen nur noch die Knöpfe.

Zum iCord und den eingesetzten Ärmeln werde ich sicher noch ‘was schreiben. Und sei es nur, um nicht zu vergessen, wie ich es gemacht habe. Aber erstmal werde ich mich wohl um diesen Haushalt kümmern (müssen), ehe morgen wieder Montag ist. Zeit anhalten wird da eher nicht klappen, fürchte ich …

 

 

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Drei Siebe

Es gibt Geschichten, die höre und vergesse ich wieder. Andere bleiben hängen. So, wie die vom Buddha und den drei Sieben.

Ob es wirklich Buddha war oder Sokrates oder einfach nur eine weise Person – jede dieser Varianten gibt es im Netz – ist egal, denn die Aussage ist immer die Gleiche. Und gerade in letzter Zeit gibt es immer wieder Anlässe, sie mir ins Gedächtnis zu rufen. Mein Mantra gewissermaßen.

Es geht um das, was man sagt oder schreibt, um den Ton und ganz generell die Notwendigkeit etwas zu sagen oder auch nicht. Im übertragenen Sinne geht es damit auch um Kommentare in den sozialen Medien, die im besten Fall überflüssig, aber leider immer wieder auch böse sind (dazu hat Andrea vergangene Woche geschrieben), um ungefragten Rat im Netz (oder im Leben) und um die Weitergabe von “Informationen”, die schlicht falsch sind.

Das zu filtern ist Aufgabe der drei Siebe:

Denn jedes Sieb steht für eine Frage: Ist das, was du sagen möchtest, wahr? Ist es gut? Ist es nützlich?

Dass man nichts von sich geben sollte, was nicht wahr ist, nicht gut und obendrein nutzlos, muss ich wohl nicht schreiben. Das sollte selbstverständlich sein (auch wenn es das für manche da draußen nicht zu sein scheint).

Eben so einfach sollte die Entscheidung hier sein: Dieses Tuch möchte ich “ganz sicher nicht stricken” lautete vergangene Woche ein Kommentar unter einem Posting auf Instagram. Wahr? Wahrscheinlich. Gut? Nein. Nützlich? Auch nicht.

Oder dieser Kommentar: “Wenn ich die [gestrickten] Ergebnisse hier sehe, hat mir bisher noch nicht eine Variante gefallen” stand in einer Facebook-Gruppe. Wahr? Wahrscheinlich. Gut? Nein. Nützlich? Auch nicht. “Sieht aus wie ein Schrubtuch” war ein weiterer Kommentar – muss ich wohl nichts zu sagen.

Kurz: Geschmäcker sind bekanntermaßen verschieden und wahr alleine reicht nicht. Nicht nur, weil Kommentare wie die genannten eine Steilvorlage sind für einen Shitstorm. Auch weil sie unhöflich sind. Unhöflich und unnötig.

Dann gibt es Dinge, die vielleicht gut (gemeint) sind, aber wenn sie falsch und nutzlos sind, sollte man da auch nochmal drüber nachdenken. “Das steht dir total gut” oder “passt super” mag nett gemeint sein, aber wenn’s nicht stimmt, ist auch das nicht nützlich und man tut damit niemandem einen Gefallen.

Oder: “Mit einer andere Nadelstärke wäre das Maschenbild schöner.” Wurdest du um deine Meinung gebeten? Dann ist die Antwort okay. Wurdest du nicht? Hm … Was du vorschlägst, mag ja stimmen, aber Rat geben geht anders: Zuhören, Fragen stellen, Ideen entwickeln, aber nur (nur!) auf Aufforderung.  Das wäre ein eigener Blogpost.

Deshalb zurück zum Thema: Im Idealfall ist etwas wahr, gut und nützlich. Dann spricht nichts dagegen, es zu sagen oder zu schreiben. Wenn es nur wahr und nützlich ist, aber nicht angenehm, auch. Allerdings ist das dann eine Frage der Abwägung, des richtigen Moments und des Ortes. Ein öffentliches Profil ist für sowas besser nicht die erste Wahl.

Drei Siebe: Wahr. Gut. Nützlich. Eigentlich ganz einfach. Verrückt, wie wenig übrig bleibt, wenn man sie benutzt. Und wie klar das dann ist.

Gelingt mir nicht immer. Aber ich übe.

Die schönen, mitternachtsblauen Socken im Bild (aufgenommen bei schlechtem Licht und gestrickt mit Regia Premium Silk) sind ein Teststrick für Sophia. Ich behaupte, dass sie zum Blogpost passen. Sophia wird wissen wie ich es meine.

 

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Tahiti KAL

Zum dritten Mal haben Schachenmayr und Julia von feinmotorik zur Teilnahme am Tahiti KAL aufgefordert – zum ersten Mal bin ich dabei. (KAL, also Knit Along muss ich nicht erklären, oder? Kennen alle mittlerweile. Falls nicht, lest es bei feinmotorik nach. Julia hat das wunderbar erklärt).

Gestrickt wird aus Schachenmayr Tahiti – einem Baumwollgarn in Lace-Stärke – ein asymmetrisches Dreieckstuch. Das Ganze als Mystery KAL, das heißt Woche für Woche wird die Anleitung um ein weiteres Segment erweitert, das vorab nicht bekannt ist.

Die “Katze im Sack” sozusagen 😉.

Nachdem mir der erste und zweite Tahiti KAL gefielen, wollte ich dieses Mal gerne dabei sein. Hinzu kam, dass ich definitiv keine Lust mehr habe, Pulloverärmel zu stricken (es sind immer noch dreieinhalb …) und außerdem den Gedanken mochte, von anderen “gezogen” zu werden im KAL. Das Tuch sollte mich bei allem gar nicht lange aufhalten. Ein Teil pro Woche, fertig in vier Wochen. Das war die Theorie.

In der Praxis läuft es (wie so oft) anders.

Teil 1 habe ich gestrickt, um ihn nach Erscheinen von Teil 2 zu ribbeln und neu zu beginnen. Warum? Ich bin ein riesiger Fan von kraus rechts Gestricktem – aber nicht, wenn danach Patent kommt. Optik und Haptik sind so unterschiedlich, dass zumindest in meiner Strickwelt, eines der beiden Muster in der Kombination nur verlieren kann.

Also habe ich neu angefangen, dieses mal im Rippenmuster 1 rechts, 1 links, mit der Idee, dass das eher mit dem Patentmuster harmoniert, weil die Maschen ineinander aufgehen. Weit in Teil 2 habe ich das wachsende Tuch dann mit zum Knitwoch Treffen bei Andrea genommen, erklärt, was und warum ich es geändert habe, um dann auf die Frage, warum ich dann nicht gleich mit Patent begonnen hätte, keine Antwort zu wissen.

Später, auf dem Weg nach Hause, waren Grün und Rosa wieder geribbelt …

Nun ist es also Patent. Mal sehen, wie lange. Und wenn schon Neuanfang, dann richtig. Also habe ich auch den Rand geändert. Ob das auch für die Teile 3 und 4 funktionieren wird weiß ich, wenn ich dort bin. Und wenn es nicht gehen sollte, fange ich wohl ein weiteres Mal von vorne an.

Auch das wäre in Ordnung.

Ich mag die Haptik der Tahiti sehr und auch die Anleitung zum Tahiti KAL ist schön! Als Strickanfängerin hätte ich mir genau sowas gewünscht. Ich schließe deshalb auch überhaupt nicht aus, dass ich das Tuch – Manuia heißt es übrigens, hatte ich das schon geschrieben? – tatsächlich noch einmal nach Anleitung stricke, aber zumindest im Moment bin ich in einem Experimentier-Modus und das gefällt mir sehr.

Auch wenn es bedeutet, dass meine Manuia-Variante nicht so bald fertig werden wird.

Tut mir leid, Ärmel, die ihr noch gestrickt werden wollt, ehe der Frühling wirklich da ist, aber ihr müsst euch wohl noch gedulden …

Bei allem kann es natürlich auch sein, dass in mir mehr Kontroll-Freak steckt als ich dachte. Vielleicht kann ich einen Mystery KAL, dieses ‘nicht wissen, was kommt’ einfach nicht aushalten … 🙄.

 

Auf den Nadeln

Viel auf den Nadeln, vielleicht zu viel und zu wenig Zeit zu stricken. Damit ist eigentlich alles gesagt. Überall liegt Wolle und doch gibt es zunehmend Tage, an denen ich nicht eine Masche stricke.

Warum? Weil einfach zu viel anderes zu tun ist.

Letzte Woche war ich jeden Tag nach dem Job im Garten, um Holz zu spalten und im neuen Holzregal zu stapeln. Mit einer riesigen, prachtvollen Wabe habe ich mir meinen Seelenfrieden erkauft. 3,50m hoch und gute 5 Meter breit. Endlich muss ich nicht mehr auf die unverputzte Betonwand des neuen Nachbarn gucken. “Und jetzt” hat meine Freundin grinsend gefragt, “darf das niemand mehr anfassen, oder?” So sieht’s aus :). Zumindest nicht für den Moment. Auch wenn man jetzt problemlos an das trockene Holz (das immer unten liegt) dran käme, ohne dass alles zusammenbricht.

Das war, wie gesagt, letzte Woche.

Diese Woche hat mich der Dachboden beschäftigt und tut es noch. Die bisherige Luke dorthin war zu klein und an schlechter Stelle. Rauf ging’s nur mit einer Hühnerleiter und geduckt, um sich dann unter der Dachschräge herauszuwinden. Jetzt ist alles einfacher, mehr Platz, (viel!) bessere Treppe und so, dass wir da auch mit 80 noch rauf kommen. Ich habe eimerweise Schüttung in den Container getragen, Werkzeug aus dem Keller geholt, Sicherungen raus- und wieder reingemacht und was immer sonst, was dem ausführenden (weltbesten!) Handwerker half und kräftemäßig ging.

Gestern ist alles fertig geworden und so wird wohl auch heute auf den Nadeln bleiben, was da ist, weil wir statt dessen den Dachboden ausräumen. Der Mann und der Teenager wissen das, allerdings hält sich die Begeisterung in Grenzen. Alles runter in die Garageneinfahrt, sortieren, umpacken wenn nötig, wegwerfen (möglichst viel) und das, was übrig bleibt in der Garage lagern, ehe (hoffentlich) in der kommenden Woche wieder Handwerker kommen, um den Dachboden auszubauen …

Sollte ich also heute Abend nicht sofort ins Bett fallen, sondern noch stricken wollen, dann wahrscheinlich am Ärmel der braunen Jacke (die ein bißchen so wird wie der Janker für den Mann). Die Zunahmen sind fertig und (für den Moment) geht es nur noch geradeaus. Das geht auch ohne zu denken.

Oder mit den Ärmeln des bunten Birkin anfangen. Vier Ärmel muss ich stricken. Vier! Zwei braune, zwei graue liegen auf den Nadeln. Wenn ich das so schreibe, denke ich, dass auch das Grund sein mag, weniger zu stricken zur Zeit. Sleeve Island …

Am Wetter, für das Andrea die wohl passendste Bezeichnung gefunden hat, liegt es sicher nicht. Da kann man ja gar nicht genug Wolle haben, so kalt wie das wieder ist. April halt …

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Birkin.

Überall Frühling – pünktlich zum Samstagsplausch auch auf meinen Nadeln. Und wer die Anleitung kennt, weiß es sofort: ich stricke den Birkin. Zum siebten Mal …

Die Versuche 1 bis 5 endeten 2018 und 2019 ausnahmslos mit Ribbeln. Zu wenig Zunahmen in der Passe und an merkwürdigen Stellen, eine zu tiefe Passe, aber auch Fehler, die ich gemacht habe, sei es, dass ich mich verzählt habe oder dass Garne nicht zusammenpassten. Was immer ich versucht habe – es wollte nicht werden. Sollte nicht sein.

Dann kam der Tag im Januar 2019, an dem mir meine wunderbare Freundin local yarn aus Dublin mitbrachte. Einfach so. Weil sie wunderbar ist. Donegal Aran Tweed, 8 x braun, 1 x rot, 1 x weiß und 2 x türkis. Definitiv keine Wolle für den Birkin. Und? Das war mir sowas von egal …

Denn Donegal Aran Tweed war genau das, was ich für (m)einen sechsten Versuch – den letzten! – haben wollte. Dieses Mal habe ich dann nur noch auf Elizabeth Zimmermann und ihr Buch “Knitting without Tears” gehört: Eine einzige Maschenprobe und dann Bottom-up statt top-down, Aran statt Fingering, drei Blumenranken statt fünf, und Abnahmen in der Passe, die sich an meinem Körper orientierten, nicht am Muster. Damit war alles ganz einfach. Und am Ende alles gut.

Endlich ein Birkin!

Trotzdem habe ich ihn Ende 2021 verschenkt.

An eine junge Frau, der er deutlich besser passt und viel besser steht als mir. Sie sagt, daß ihre Schwestern sie um diesen Pullover beneiden und ich höre es gerne. Nie war ich überzeugter, über den Birkin “hinweg” zu sein.

So kann man sich täuschen.

Denn zwischenzeitlich hatte nicht nur Caitlin Hunter die Anleitung zum Birkin überarbeitet – ich hatte auch einen Solvi gestrickt. Beides zusammen führte dazu, dass mir der Birkin (mal wieder) nicht aus dem Kopf ging. Warum?

Weil der Solvi wirklich gut sitzt. Und weil ausreichend Wolle für einen weiteren Pullover übrig blieb … Schon während des Solvi-Strickens dachte ich, wie hübsch kleine Blumen in diesen Farben aussehen würden. Aus einer Laune heraus habe ich dann einfach mal die Maschenzahlen und Maße von Solvi und Birkin 2.0 verglichen.

Danach war kein Halten mehr.

Verglichen habe ich den Birkin in Größe 1 mit Größe C des Solvi und siehe da: sie sind fast identisch. 4 Maschen Unterschied beim Halsausschnitt, 3 Reihen mehr in der Rundpasse, 5 Maschen mehr im Umfang vor Beginn der Ärmel. Die tatsächliche Aufteilung in Ärmel und Körper habe ich vom Solvi übernommen. Die verkürzten Reihen leider nicht.

Egal. Ich werde ihn nicht! ribbeln! Nie mehr!

Hätte ich nicht so viele andere Projekte auf den Nadeln zur Zeit, wäre er wohl schon fertig. So muß ich noch einige Runden drehen, im hellen Grau für Körper und Ärmel.

Auch das ist egal. Ich weiß, dass er passt, weil ich ihn schon anhatte. Und dass ein Ende absehbar ist. Bei allem ist mir allerdings eher nach fluchen, als nach Jubel. Mehr nach verd*mmter Birkin, als nach juchhu, ein Birkin.

Erklären kann man das nicht.  Wir hatten da wohl noch ‘ne Rechnung offen, Ms Hunter und ich …

 

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