Liebes Jahresprojekt –
Du musst jetzt sehr tapfer sein. Denn ich werde Dich verlassen. Besser: ich werde das wunderbare Buch, das uns zusammengebracht hat – MasterClass Stricken vom Stiebner Verlag – zusammenklappen und zurück ins Regal stellen. Es ist vorbei.
Du hast es kommen gesehen, oder? Schließlich habe ich Dich wochenlang vernachlässigt.
Alles hatte so schön angefangen … Wir haben uns im Frühling bei Andrea Karminrot kennengelernt, weißt Du noch? Damals haben wir uns gleich gut verstanden. Und in Folge hast Du mir Monat für Monat Dinge erklärt, die ich bis dato nicht kannte. Zumindest nicht so.
Es war schön, so viel Zeit mit Dir zu verbringen, Gleichgesinnte zu sehen bei Andrea, der Zitronenfalterin. Aber rückblickend sehe ich, dass wir schon im Frühjahr nicht immer einer Meinung waren. Vielleicht hätten wir reden sollen …
Die Idee Deiner Pulswärmer mit Helixstreifen zum Beispiel. Unser erstes Projekt. Die Helixstreifen fand ich toll – aber Pulswärmern, wenn der Sommer schon um die Ecke guckt? Nicht für mich. Also habe ich Sneakersocken gestrickt.
Dann kam April und mit ihm das Brambling Tuch von Bristol Ivy, um Intarsientechnik zu lernen – wie solltest Du wissen, dass ich diese Technik längst kann und vernünftig sein würde: kein neues Tuch, statt habe ich an dem gearbeitet, was hier noch lag.
Im Mai war dann die Sache mit Alex, der Maus. Ich habe so sehr über diese Maus geschimpft – weißt Du das noch? Andere Mäuse wurden es dann und davon viele. Und noch nicht mal mit Anschlag aus dem Fadenring, um den es eigentlich ging.
Die Talmadge Cloche im Juni ist das einzige Projekt, das ich genauso gemacht habe, wie du es wolltest. Aber nicht Deinetwegen, sondern weil ich mit Susanne, Andrea, Barbara, Anna und Birgit im KAL gestrickt habe. Das hat wirklich Spaß gemacht. Die fertige Mütze habe ich dennoch (gerne!) verschenkt.
Mittlerweile ist September. Die Antirrhinum-Socken – das Juli-Projekt – habe ich noch gestrickt. Wobei das nicht stimmt. Ich habe (in geistiger Umnachtung?) nur die ersten vier Reihen des von Dir vorgeschlagenen Musters übernommen und – als wäre das nicht genug – eine andere Ferse gestrickt. Das Ergebnis mag ich in jeder Hinsicht gerne, nur ist es wieder nicht das, was Du wolltest.
Am Ende hat dann das Garn für die Socken nicht gereicht (ein Omen?), aber die wunderbare Strickmamsell hat mich mit einem kleinen Rest gerettet. Man sieht es, aber das stört mich nicht. Im Gegenteil. Ob es Dich stört, dass ich mich zunehmend weniger an unsere Vereinbarung gehalten habe?
Ab und an habe ich das Buch noch in der Hand, aber mir fehlt die Lust, weiter damit zu arbeiten. Bitte sag, dass Du das verstehst.
Du solltest mein Jahresprojekt sein, aber die Projekte, die im Buch noch kommen, hätten wohl ein ähnliches Schicksal wie die bisherigen. Nichts davon würde ich nachstricken wie im Buch gezeigt. Es liegt nicht an Dir oder dem Buch – es liegt an mir.
Bleibt nur zu sagen, dass das Masterclass Buch wirklich toll ist. Zwölf Techniken in zwölf Monaten sind ein sehr großzügiges Angebot. Vielleicht strecke ich das Ganze einfach auf zwei Jahre. Oder fünf. Oder sieben.
Wie immer das ausgeht: Alles Gute, Jahresprojekt – laß uns Freunde bleiben. Ich kenne mich, in irgendeinem Januar sehen wir uns wieder …