Zuhause

Als der Teenager noch ein kleiner Junge war, war unser Zuhause eine Mietwohnung in Neukölln. Damals war Neukölln noch nicht „in“. Wer ein schulpflichtiges Kind hatte, zog in der Regel weg. Ich muss lachen, wenn ich an die Frankfurter Freundin denke, die mich mich bei einem ihrer Besuche fragte „warum ziehen die Leute die Luft so scharf ein, wenn Du sagst, dass Ihr in Neukölln wohnt?“

Wir liebten den Kiez und die Wohnung trotz allem, wären gerne geblieben, aber dann wechselte der Eigentümer und wir mussten raus. Ein Jahr haben wir gegengehalten, dann fing ich an nach Alternativen zu suchen. Wieder eine Wohnung, gerne in der gleichen Gegend, damit das Kind in seiner Schule bleiben könnte.

ZuhauseDamals gab es noch Wohnungsanzeigen in der Tageszeitung. Liest sich jetzt wie aus einem anderen Leben. Vielleicht war das der Grund dafür, dass ein Makler ein zu verkaufendes Haus im Internet nicht bei den Hausverkäufen einstellte, sondern in der Rubrik Mietwohnungen. Er machte es vielleicht zum ersten Mal. Was immer der Grund war – wir haben es nie erfahren, aber dort (zwischen den Mietwohnungen) habe ich das Haus entdeckt.

Nicht weit vom damaligen Zuhause, ein großes Grundstück, der Garten ein Dschungel, das Haus mit wenig Quadratmetern zwar, aber schön geschnitten und ein Preis, der deutlich über das hinausging, was wir uns leisten konnten. Und doch … Um es aus dem Kopf zu bekommen, machten wir ein Angebot, das weit unter dem lag, was die Vorbesitzerin haben wollte. Sollte sie uns doch absagen.

Aber genau das tat sie nicht. Ob wir was verändern würden in Haus und Garten, fragte sie. „Ein bißchen schon,“ antwortete der Mann lächelnd. Und so wurden wir Hausbesitzer. Ich war Sekretärin in Teilzeit, der Mann ohne Job. Auch das liest sich wie aus einem anderen Leben. Wer würde uns heute noch ein Haus verkaufen?

2013 sind wir dann eingezogen und haben seither „ein bißchen verändert“…  Dach, Fassade, Veranda, Einfahrt. Aus einem Kellerraum wurde ein Gästebad, die Küche ist doppelt so groß wie ursprünglich, im Wohnzimmer ist ein Ofen, einige Bäume gefällt, ehe sie fielen. Die Liste ließe sich noch eine Weile fortführen. Das Haus ist heute definitiv unser Zuhause.

ZuhauseIn all den Jahren bin ich jeden Tag im Garten gewesen. Denn wenn ich am einen Ende angekommen bin, muss ich vorne wieder anfangen. Hopfen, Giersch, Efeu. Äpfel, Beeren, Walnüsse. Säen, pflanzen, ernten. Blätter harken, Ofenholz – es hört nicht auf. Und immer wieder denke in an die Vorbesitzerin, die uns kurz vor Übergabe jeden einzelnen Rhododendron vorgestellt hat. Ich sehe den Mann, wie er freundlich und immer wieder nickend neben ihr hergeht. Er, der sich für Vieles interessiert, aber nicht für den Garten.

Ich glaube, ich rufe sie mal an. Vielleicht möchte sie uns ja besuchen kommen.

Ich würde mich darüber freuen.

… damit in diesem Blogpost wenistens irgendwas „wolliges“ ist, habe ich Bilder meiner aktuellen Sockenprojekte dazwischen gesetzt. Die Goldenen, die im Bild so dekorativ in der Küche liegen, sind gerade fertig geworden. Bei den Blauen fehlt das Garn für die Spitze (und die Idee, wie ich damit umgehe). All das geht jetzt – wie jeden Samstag – zum Samstagsplausch.