Ansch, die Mutter einer Freiburger Freundin, strickte über Jahrzehnte Socken. Und jede Socke begann sie mit einem neuen Knäuel, so daß mit jedem fertigen Paar zwei kleine Knäuel übrig blieben. Wissend, dass sie nie wieder etwas damit machen würde, hob sie sie dennoch in Pappkartons auf. Und damit die Motten die kleinen Knäuel in Ruhe lassen, kam in jeden Karton ein Stück Seife. Immer die Gleiche: Maja-Seife, verpackt in Papier, das eine spanische Tänzerin zeigt.
Ich weiß nicht mehr, wann ich die ersten Wollreste bekam, aber es ist sicher deutlich über 10 Jahre her. Jedes Mal, wenn die Freundin nach Freiburg fuhr, oder wenn die Ansch ihre Tochter und Enkeltochter in Berlin besuchte, kam eine Tüte mit Resten von Sockenwolle zu mir. Manche wurden zu Socken, aber die meisten zu Granny Square Decken. Und jedes Knäuel „roch nach Ansch“, nach der Seife, mit der sie ihre Wolle schützte.
Als die Ansch starb, verfügte sie, dass ich ihre Wolle sichte, verstricke und verteile. Ein kostbares Erbe in mehr als 8 Umzugskisten am anderen Ende von Deutschland. Unfassbare Mengen Wolle! Wirklich unfassbar! Fast alles ist mittlerweile verschenkt, gespendet, gegen Versandkosten verkauft und weitergegeben. Und zu wissen, dass die Wolle von Ansch so vielen Menschen Freude gemacht hat (und macht) ist echt schön.
An einem Nachmittag im Februar hatte ich Besuch von zwei Strickerinnen, die sich aus meinem Wohnzimmer, das aussah wie ein Wollladen, mitnehmen konnten, was immer sie haben wollten. Sie nahmen gerne, aber nicht genug. Und egal, wie oft ich ihnen 4 Knäuel Lanartus Jubilee, das knallrote Garn aus Alpaka und Wolle angeboten habe – keine der beiden wollte es. Zu warm, zu dick, zu rot.
Mag sein, daß ich gerade deshalb genau diese Knäuel aus der Hinterlassenschaft der Ansch zuerst verstrickt habe.
Ravelry hat mir geholfen, auf Basis von Nadelstärke und Metern die Anleitung für einen Pullover zu finden, der wunderbar dazu passte: Raglan von oben, nahtlos, kurze Arme (für lange Arme hätte das Garn tatsächlich auch nicht gereicht), 6er Nadeln.
Hätte mich die Influenza nicht im Bett festgehalten, wäre er noch schneller fertig geworden. Die reine Strickzeit lag bei kaum mehr als einer Woche. Exakt nach Anleitung gestrickt, habe ich nur anders abgekettet (Italian bind-off) und den Kragen doppelt gemacht, wie beim Olga-Sweater. Seither trage ich ihn.
Mud Sweater heißt die (frei verfügbare) Anleitung, benannt nach der Mud Season – also der Matsch-Saison zwischen Winter und Frühling – die als die fünfte Jahreszeit im US-Bundestaaat Maine gilt. Gedacht ist der leichte Pullover als „layering piece“, wenn’s wärmer wird, aber noch nicht warm ist. Ein Novum in meinem Kleiderschrank, sowas hatte ich bisher nicht, aber denke jetzt, dass ich noch viel mehr davon brauche.
Die nächsten Knäuel liegen schon und warten.
Verlinkt zum Samstagsplausch
Acht Umzugskisten Wolle! Paradise. Wolle kann man am Ende nicht genug haben. Selbst wenn sie manchmal jahrelang in der Ecke liegt und man sich bei ihrem Anblick immer wieder neue Pullover ausdenkt, die man damit stricken wird. Würde. Vielleicht.
Die Anleitung Mud Sweater habe ich direkt runtergeladen.
Anleitungen kann man auch nie genug haben. Und sich dann immer wieder überlegen, mit welcher Wolle man sie wohl stricken wird. Würde. Vielleicht.
Ich liebe unser Hobby!!!
Hab’s fein.
Liebe Grüße
Pia
Paradies und irgendwie auch Überforderung. Und es ist ja nicht, dass ich vorher keine Wolle hatte. Hier lag ja schon ein Knäuel (oder zwei …).
Aber jetzt wird alles verstrickt. Eins nach dem anderen. So, wie Du schreibst. Und der nächste Pullover ist tatsächlich schon in der Mache. Danach noch einer. Vielleicht …
Das ist ein sehr schöner Pullover geworden. Danke für den Link zur Anleitung.
Sockenwollreste! Die bekam ich Säckeweise von einer Nachbarin, die es genauso hielt wie deine erwähnte Ansch. Noch zu Schulzeiten nahm ich sie dorthin mit. Wir wickelten mehrere Fäden zu einem dicken Garn zusammen und verstrickten sie mit dicken Stricknadeln aus Rundhölzern in der Ganztagesbetreuung zu Schals. Auf den allerletzten Resten sitze ich immer noch.
Viele Grüße
Karin
So eine schöne Idee und irgendwie passen die Farben – egal, wie verrükt der Farbverlauf – auch immer zusammen.
Die Anleitung für den Pullover ist weirklich schön. Ich mag meinen sehr.
Eine schöne Geschichte. Ich wette, dein roter Pullover riecht nach dieser Seife, deren Geruch mir beim Drandenken in die Nase steigt. Die spanische Tänzerin, ein Duft meiner Kindheit. Viel zu stark, viel zu schwer, trotzdem …
Liebe Grüsse von Regula
Genau so ist es – zu stark, zu schwer und in jedem Knäuel 🙂
Ein toller Pullover! An den Geruch werde ich mich aber auf ewig erinnern!
Liebe Grüße
Andrea
Ich sag’s mal so – es hätte Deiner werden können, aber Du wolltest ja nicht, Frau KarminROT 😉
Also, dass ist mal eine bezaubernde Geschichte! Ich habe übrigens auch überall zwischen meinen Wollsachen Seife (aber nicht die gleichen)
Und das wunderschöne Garn wollte niemand haben? Der Pullover ist Dir aber auch sehr schön gelungen. Ich liebe ihn 😅
Mit lieben Grüßen und schönes Wochenende
Nina
Vielen Dank für den schönen Kommentar – ich liebe den Pullover auch 🙂
Danke für den link.
So Wetter haben wir hier auch, vielleicht ist ein halbwarmer Pulli die Lösung.
Liebe Grüße
Da hast du für das Garn genau die richtige Bestimmung gefunden- sieht richtig gut aus.
Ich bin auch mal solch ein Erbe angetreten und habe noch heute Wolle davon die auf ihre Bestimmung wartet.