MasterClass: Anschlag im Fadenring

Um es mit Paulchen Panther zu sagen: Wer hat an der Uhr gedreht? Ist wirklich schon Mitte Mai? Neuer Monat = neues Projekt! Wieder gilt es für Andrea und mich, im Rahmen unseres Jahresprojektes eine neue Stricktechnik zu lernen (ungeachtet all dessen, was eh schon auf den Nadeln ist …) und dieses bei der Zitronenfalterin zu verlinken. Diesen Monat ist das der ‘Anschlag im Fadenring’ im Masterclass-Buch des Stiebner-Verlages. Eine Methode, gedacht für Dinge, die in der Mitte begonnen werden – so, wie die Nase von Alex, der Maus.

Um es vorwegzunehmen: ich habe Alex nicht gestrickt. Aber ich habe es versucht. Allerdings ist es genau diese Nase, die mir an Alex nicht so gut gefällt (sorry, Alex). Die Technik fand ich dennoch spannend.

Zum Glück wollte es der Zufall, dass mir ein Projekt über den Weg lief, das wie gemacht ist für den Anschlag im Fadenring – das Sichtbarmachen von Strassenpollern.

So oft bin ich schon fast oder tatsächlich gegen eines dieser Dinger gelaufen. Meistens nach dem Überqueren einer Strasse. Weil dann (bei mir) die Achtsamkeit nachläßt, weil die meisten Poller grau sind vor grauem Asphalt, weil Poller eine Höhe haben, auf die ich nicht achte – also weder Strasse, noch Augenhöhe – weil es einfach passiert.

Wie mag es erst Menschen gehen, deren Sehfähigkeit eingeschränkt ist?

Am 6. Juni 2021 ist Deutscher Sehbehindertentag. Das hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. zum Anlaß genommen dazu aufzurufen, Poller zu umstricken oder zu umhäkeln: “Mit Wolle Poller toller machen” ist Slogan der Aktion, in der es in erster Linie darum geht, auf gefährliche Hindernisse aufmerksam zu machen, und gleichzeitig vielleicht auch Kreuzungen und Strassen ein bißchen fröhlicher.

Die Anleitung sieht vor, den Poller-Pullover (oder ist es ein Strumpf? Eine Mütze?) am unteren Rand zu beginnen, aber um ein Maximum aus je einem Knäuel Schachenmayr-Bravo in rot und weiß herauszuholen, habe ich mich für den Anschlag im Fadenring entschieden. Zumal der ja eh “dran” war. Bei Maschenzahl (48) und Nadelstärke (4) habe ich mich an die Anleitung gehalten.

Eh voila! Ein Poller-Pullover ist fertig, für den zweiten brauche ich auch nicht mehr lange.

Im Aktionszeitraum 1. bis 11. Juni 2021 soll es übrigens auf der Seite des Verbandes eine Liste geben, in der alle Standorte der rot-weißen Poller gelistet sind. Wer also nicht stricken oder häkeln möchte, hat vielleicht Lust Poller im Pullover zu fotografieren und die Bilder in den sozialen Medien zu zeigen. Verlink am besten zum @absv_berlin und zum @dbsv_jugendclub und (falls Du das nicht längst schon machst) schreib in den Alternativtext, was im Bild zu sehen ist.

Wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelingt, diese Welt ein kleines bißchen schöner (und sicherer) zu machen.

Und was die Maus anbelangt: es ist nicht so, dass ich Mäuse nicht mag. Auch gestrickte Mäuse finde ich lustig. Nur eben Alex nicht so … Der Stieber-Verlag möge es mir verzeihen 😉 Meine Mäuse sehen anders aus.

Ein Schneckenband

Jahrelang habe ich da nicht (mehr) dran gedacht und plötzlich war es wieder da: ein Schneckenband! Caro hatte es in ihrem Instagram Account gepostet (in ihrem Blog gibt es die passende Anleitung) und ich habe fast reflexartig nach Baumwolle und Häkelnadel gegriffen. Noch am gleichen Abend wurde mein Schneckenband fertig. Wer hätte gedacht, dass ich sowas nochmal häkeln würde … Ewig scheint es her zu sein, dass der Teenager (damals ein kleiner Junge) damit gespielt hat und ja, ich war ein bißchen wehmütig.

Kennst Du Schneckenbänder? Sie sind Bestandteil der Waldorf-Pädagogik, sollen die Phantasie von Kindern anregen, ihre Kreativität fördern und letztlich sogar ihre Feinmotorik. All das tut jedes einzelne Band tatsächlich und wurde dafür nicht nur von meinem Kind geliebt, sondern von jedem Kind, das ich kenne.

Was Kinder damit machen? Was immer ihnen einfällt und was sie gerade brauchen. Hier war es wahlweise Verband oder Kopfschmuck, Gürtel oder Leine, Schmusetier, Absperrgitter für Schleichtiere oder Autobahn für Matchbox-Autos. Und nach dem Spiel wurde es aufgerollt. Das war nicht einfach, weil die Hände anfänglich klein waren, aber es gehörte dazu. Und das ließ er sich auch nicht nehmen. Gerollt wurde, bis das Band wieder aussah wie eine Schnecke – ein Schneckenband eben.

All das ging mir durch den Kopf, während ich das Band aus Catania (in einer längst nicht mehr erhältlichen Farbe) häkelte. Fünf feste Maschen, eine Wendeluftmasche, fünf feste Maschen, eine Wendeluftmasche – so lange, bis das Band ungefähr 120 cm lang war.

Wie es der Zufall wollte, war tags drauf das Wetter schön, der Garten warm und am Nachmittag kam Besuch. (Besuch – wann habe ich das zuletzt geschrieben?) Die Freundin kam, mit Mann und Kind. Ein kleines Kind. Erst 15 Monate und damit eigentlich zu jung für ein Schneckenband, aber das einzige Kind weit und breit. Also habe ich ihm mein Schneckenband angeboten.

Was soll ich sagen – von wegen zu klein! Auch dieses Kind ist umgehend dem Schneckenband-Zauber verfallen. Altersgemäß zwar, aber durchaus kreativ. (Und immer unter Aufsicht!) Seither weiß ich, dass es Spaß machen kann, ein Band hinter sich her zu ziehen, es abzuwickeln, dem Papa aufs Knie zu legen, es sich selber umzuhängen oder es einfach nur gerollt in den Händen zu halten. Und auch Tage danach schickt mir die Freundin Bilder von Kind und Band und anhaltender Begeisterung.

Mein absolutes Highlight in der vergangenen Woche!

Wobei – es gab noch ein Zweites: gestern Nachmittag haben wir uns wieder getroffen. Dieses Mal nur zu zweit, ohne Kind und Schneckenband. Wir sind ein Stück spazieren gegangen und haben dann vor einem Café auf einer Bank einen Kaffee getrunken. Auch das habe ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht getan. Es war nicht wirklich warm, die Wolken zu grau und die Luft zu feucht. Aber es war ein Kaffee draußen, zusammen mit einer Freundin. Das, was immer so normal war und mir jetzt vorkommt, wie aus einem anderen Leben.

Beim Bezahlen haben wir eine Stempelkarte bekommen und ich bin entschlossen, sie abzusitzen. Becher für Becher. Draußen vor dem Café. Wenn’s sein soll auch im Regen.

Ach, und dann war da noch ein drittes, winziges Highlight: mit den rosa Blütenblättern läuft alles nach Plan. Wer meinen vorletzten Blogpost gelesen hat, weiß was ich meine 😬.

Andrea und Magda – ab Montag soll das Leben in Berlin wieder einfacher werden. Ob wir uns dann sehen?

Anfang und Ende

A GOAL WITHOUT A DAILY PLAN OF ACTION IS JUST A WISH, habe ich vor Jahren in großen Buchstaben auf einen Zettel geschrieben und diesen unter meine (durchsichtige) Schreibtischauflage geschoben. Damals schrieb ich an meiner Magisterarbeit, aber mit Familie, Haushalt und Nebenjob wollte das alles nicht werden. Ich brauchte ganz dringend einen Plan, wenn ich diese Arbeit jemals zu Ende führen wollte und nicht nur das – ich musste mich auch daran halten.

This is how you learn.

Der Zettel liegt bis heute unter meiner Schreibtischauflage und das muss er leider auch. Sonst klappt das immer noch nicht mit dem Plan. Auch wenn die Magisterarbeit längst abgegeben ist. Dinge, die ich vor mir herschiebe, gibt es noch genug.

A goal without a daily plan of action is just a wish. Passt irgendwie zu Anfang Januar. So von wegen Vorsätze und so.

Mein Ziel für 2021 ist es, mich mehr zu bewegen. Auch dafür brauche ich einen Plan, denn mit immermal um den Schreibtisch gehen, wird das nichts. Jetzt zählt also die Handy App meine Schritte – 10.000 sind das tägliche Ziel. Das klappte in der ersten Woche wunderbar. Laufen, bis ich aus der Puste war, dann gehen, bis es wieder ging. Dann wieder laufen. Kann man besser machen, weiß ich, aber es war ein Anfang, der sich ohne größeren Aufwand umsetzen ließ. (Von Stirnband und Sportklamotten bin ich noch weit entfernt 😉).

Der Zufall wollte es, dass ich mit Sophia drüber gesprochen habe und siehe da – Sophia hatte die perfekte App-Empfehlung für mich: Seither ist Laura von Couch to 5K  mein Guru. 30 Minuten sagt mir die Engländerin an jedem zweiten Tag, wann ich gehen und wann ich laufen soll. Sie ist unerbittlich, aber auch voll des Lobes, wenn ich durchhalte. Ihr Musikgeschmack ist leider nicht meiner, aber das verzeihe ich ihr bei jedem Stück, das zu meinem Laufrhythmus passt. Wenn ich wieder zu Hause ankomme, bin ich ausgepowert, aber zufrieden wie lange nicht. Laura sagt, in 9 Wochen laufe ich 30 Minuten ohne jede Anstrengung.

Ich wünsche mir, dass sie Recht hat.

Auf den letzten Metern meines Kolding haben mich Andrea, Magda (🐌) und Stefanie (🐌🐌) angefeuert – beste KAL-Gruppe ever! Und so konnte ich gestern tief zufrieden das Fädchen abschneiden.

Nach genau 40 Tagen sind 1.912 Meter schönster Regia Premium Silk in hellem Grau verarbeitet. Das größte Tuch, das ich je gestrickt habe. Noch ist es nicht gespannt, aber ich befürchte, allein wegen des Eigengewichtes wird es nochmal erheblich länger. Mal sehen. Ich werde berichten.

Das Maschenbild ist jetzt schon ziemlich schön. Allerdings haben diese unendlichen Maschen nicht durchgängig Spaß gemacht. Zwischendurch war ich ziemlich nah dran, dass Ganze zu ribbeln oder wenigstens wegzupacken. Aber auch da: Dank an die Gruppe! Wenn alle stricken, stricke ich auch. Und irgendwann danach wurde jede Reihe fast meditativ, mit jeder Masche der Kopf freier.

So, wie beim Laufen. Irgendwann entwickeln die Beine ein Eigenleben, losgelöst vom Kopf. Dann läuft es einfach.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Für meinen heutigen Post muss ich bißchen weiter ausholen: mit 18 waren meine Leistungskurse in der Schule Geschichte und Englisch. Danach habe ich Hotelfach gelernt, Veranstaltungen organisiert, war selbstständig, dann pleite, habe in Oregon gelebt, mich wieder berappelt, bin über Umwege in Berlin gelandet und habe hier viel Geld verdient.

Als ich schuldenfrei war, habe ich gekündigt, um mich – 18 Jahre nach dem Abitur – an der Humboldt Universität in Berlin einzuschreiben. Die Lieblingsfächer unverändert: Geschichte und Amerikanistik. Parallel zum Studium habe ich 20 Stunden in der Woche gearbeitet, bin einmal um- und dann mit dem Mann zusammengezogen, der Teenager kam auf die Welt. In dem Jahr, in dem er eingeschult wurde, habe ich meinen Magister gemacht. Mit einer Arbeit über Hillary Rodham Clinton.

Heute bin ich Historikerin und Feministin.

Rückblickend weiß ich nicht mehr, wie ich das alles unter einen Hut bekommen habe.  Es muss die Frage nach dem Verhältnis von Macht, Sex und Gender in amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewesen sein, die mich tatsächlich nie wieder losgelassen hat. (“Cracking the highest, hardest glass ceiling” übrigens auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte).

Die Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012, dieses Gefühl nach der Wahl 2016 – es hat sich mir eingebrannt, das weiß ich jetzt wieder. Heute ist alles anders als vor vier Jahren und dabei genauso schlimm. Oder schlimmer?

Behauptungen ohne Belege, Schimpftiraden, Verschwörungstheorien, Verleumdungen, Lügen. Eine Strategie der verbrannten Erde, die auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint.

Pennsylvania, Georgia, Arizona, Nevada. “Democracy is sometimes messy.” Die Jahre vor Trump kommen nach Trump nicht wieder, heißt es. “America first.” Was jetzt rot ist, wird dann blau. “Buy American.”

Aushalten kann ich es nicht, also verweigere ich Nachrichten und Internet. Gleichzeitig will ich alles wissen. Bis ins letzte Detail.

Es ist Geschichte und Englisch. Es ist nicht mein Land. Weiß der Himmel, warum mir das so nah geht.

In den letzten Tagen habe ich immer wieder gehäkelt. Kleine Quadrate aus kleinen Wollresten. Eins nach dem anderen. Vier Gramm sind genug für Jedes. Stäbchen sind meine Lieblingsmaschen. Wußte ich das vorher schon? Nichts macht mich so gelassen, wie wieder und wieder den Faden zu holen und ihn durch eine Schlinge zu ziehen. Ein Mantra, übersetzt in Wolle.

Dabei sollte es das Projekt eigentlich gar nicht geben. Spontan hatten Magda und Andrea mir vergangene Woche davon abgeraten, als ich ihnen die ersten beiden Quadrate gezeigt habe. Sie wären zu unruhig.

Meine Hände haben das offensichtlich nicht gehört. Nun sind es viele Quadrate und es werden immer mehr (so, wie die abgegebenen Stimmen für die Demokraten). Sie werden immer diverser (so, wie die demografische Entwicklung in den USA).

Mit Glück wird es eine Decke. Fertig wird sie wohl noch bevor dieses unwürdige Spektakel zu Ende ist.

 

3 Tage im Rheinland

Berlin ist eine wunderbare Stadt! Ich lebe hier gerne und das seit über 20 Jahren. Länger, als irgendwo sonst. Die Seen, der Himmel, dieses immer irgendwie Chaotische, die unterschiedlichen Kieze – ich glaube nicht, dass ich irgendwann nochmal hier weggehe.

Nun will es das Schicksal, dass der Mann seit mittlerweile vier Jahren in Bonn arbeitet. Anfangs wollten wir abwarten, wie sich das entwickelt, ob es Sinn macht hinterherzuziehen. Offensichtlich haben wir dann den richtigen Moment verpasst. Mein Job, die Schule, der Sportverein, das Haus … Sicher hätte man das alles aufgeben und im Rheinland neu anfangen können. Haben wir aber nicht. Nun ist der Teenager in der Oberstufe – da gehen wir hier bestimmt nicht weg. Nicht in den nächsten beiden Jahren.

Statt dessen WhatsApp und Facetime, Familienleben nur am Wochenende. Einer pendelt immer und im Normalfall ist das der Mann. Freitags nach Berlin, Sonntags zurück. Fast jedes Wochenende 12 Stunden in der Bahn. Vor Corona war das einfacher.

Zum Glück ist der Teenager (der natürlich seinen Vater liebt, aber wenig motiviert ist, am Wochenende nicht mit Ball in der Halle oder mit seinen Freunden zu sein) mittlerweile alt genug, dass man ihn auch mal alleine lassen kann. Das heißt, es spricht nichts dagegen, dass wir uns abwechseln der Mann und ich, dass ich jetzt häufiger mal nach Bonn fahre.

Vor zwei Wochen habe ich das gemacht.

Was soll ich sagen? Ja, Berlin ist eine tolle Stadt, aber mein Herz liebt das Rheinland. Da bin ich groß geworden. Da komme ich her. Der Dialekt, der Humor, das Klima – das gibt mir sofort ein Gefühl von Zuhause, was ich nirgendwo sonst habe.

Die drei Tage, die ich dort war, waren wie Ferien. Ferien an einem Ort, den ich früher so gut kannte, wie heute Berlin. Verrückt!

Wir sind spazieren gegangen. Einen Tag in der Rheinaue, einen Tag am Venusberg. Wir haben – wie schon in den 90ern – Kaffee getrunken auf der Terrasse des Extro und Abends ein Kölsch vor dem Lamme Goedzak . Auch das gab es schon vor 30 Jahren. Mindestens! Als ob jemand die Zeit zurückgedreht hätte. Oder angehalten.

Zwischendurch habe ich Mützen gestrickt. Zuerst die eine, die ich meinem kleinen Freund versprochen habe. Er geht auf seinen ersten Winter zu und da braucht er warme Ohren. Dann eine zweite, damit die Mutter entscheiden kann, welche ihm besser steht. Und weil ich mir nicht sicher war, ob die beiden Mützen nicht (noch) zu groß sind für das kleine Kind, habe ich noch eine kleinere gestrickt. Und schließlich eine größere für meine Frankfurter Freundin, die das Bild der ersten Mütze auf Instagram bewundert hatte. Vier Mützen aus Merino-Resten – je bunter, je besser. Drei habe ich mittlerweile verschenkt.

Dieses Wochenende ist der Mann wieder hier. Blätter harken steht auf dem Plan, spazieren gehen, Luft holen. Und (für mich) der karminrote Samstagsplausch.

Montag fängt die Schule wieder an.