Alles anders irgendwie

Ob ich denn gar nicht hamstern wolle, hat mich die Frau an der Kasse des Supermarktes gefragt und dann gelacht. Ich stand da mit meinem Stoffbeutel, während die Menschen um uns herum voll beladene Einkaufswagen aus dem Laden Richtung Parkplatz schoben. Da habe ich dann auch gelacht. Aber wohl war mir nicht dabei.

In den Medien, auf der Straße, in meinem Kopf – überall Corona.

Zum Glück scheint die Sonne in der Hauptstadt, also konnte der Teenager am Sonntag Freunde treffen. Verabredungen, die im Freien stattfinden, erlaube ich (noch). Sie haben dann stundenlang im Park Basketball gespielt, sich ausgepowert und Spaß gehabt. Allerdings ohne sich zu umarmen (wie normalerweise). Ohne „bro fist“ (wie normalerweise). Aber fast so unbeschwert wie noch letzte Woche. Wie vor Corona.

Unfassbar, wie schnell sich die Welt ändern kann. Plötzlich ist alles anders.

Plötzlich geht, was nie ging; Klima oder Migrationsprobleme haben nicht erreicht, was jetzt über Nacht passiert: Menschen verzichten! Auf Autos und Kino und Essen gehen. Auf Konsum. Und warum? Weil plötzlich das eigene Leben in Gefahr ist. Nicht mehr nur das der Anderen. Jede/r achtet jetzt auf sich. Wahrscheinlich zu Lasten eines sozialen Miteinander. Wie kann es auch anders sein, wenn „Soziale Distanzierung“ das Mittel der Wahl ist. Wenn der Postbote, die Nachbarin oder der Klassenlehrer sich in potentielle Feinde verwandeln. Je länger das dauert, um so schlimmer wird es werden.

Aber nun gilt es erstmal die nächsten fünf Wochen zu meistern: Home office und home schooling – damit ist es für mich deutlich einfacher, als für viele andere. Weil es für meinen Job (fast) egal ist, wo ich bin und weil der Teenager kein Kind mehr ist. Er versteht, warum wir zu Hause sind, dass er arbeiten muss, auch wenn keine Schule ist und dass die PlayStation … ach, lassen wir das. Ich fürchte, die wird jetzt mehr beansprucht als sonst. Und so lange er da Fifa spielt, kann ich wohl auch wenig sagen.

Wenn ich da an die Eltern der kleinen Patentochter denke: beide berufstätig, drei Kinder im Kindergarten … (Darf ich helfen? Darf ich nicht?) Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.

Bei Allem wird dennoch Frühling und ich bin entschlossen, diesem verd*mmten Virus etwas Positives abzugewinnen. Also schreibe ich heute mal wieder einen Blogpost.

Morgen ist der vorerst letzte Schultag. Ab dann kann ich jeden Morgen eine halbe Stunde länger schlafen, weil ich niemanden mehr um 7 Uhr vor die Tür schieben muss. Mag sein, dass ich trotzdem weiter um 6 Uhr aufstehe – einfach, weil es draußen dann schon hell ist. Endlich! Darauf habe ich lange gewartet.

Meine Tage werden länger sein. Länger hell und mit mehr Zeit. Entschleunigung. Auch das habe ich mir schon lange vorgenommen. Nur ist es schwer in einer Stadt wie Berlin, wo kaum eine Strecke unter 45 Minuten zu machen ist. Ins Büro und zurück fahre ich jeden Tag 70 km durch den Berufsverkehr. Das fällt jetzt weg. So, wie alle anderen Fahren: zu Verabredungen, zum Basketball, zum Baumarkt, zu Terminen. Findet alles (fast) nicht mehr statt.

Diese Extrazeit werde ich wohl primär im Garten verbringen. Ich werde ihn von Efeu und Unkraut befreien und vielleicht sogar einen Gemüsegarten anlegen. Auch das steht schon lange auf meiner Liste, nur bin ich nie dazu gekommen. Tipps und Empfehlungen nehme ich gerne an.

Vorher werde ich allerdings dem Teenager zeigen, wie man mit der Axt Holz spaltet. Er ist zwar kein Fan von Gartenarbeit (schamlose Untertreibung), aber Brennholz zu machen, könnte ihm gefallen. Damit hätte er einen Ersatz für alle Trainingseinheiten, die seit letzter Woche nicht mehr stattfinden, nachdem die Bezirksämter die Hallen und Spielstätten geschlossen haben. Außerdem liegen die Trümmer der gefällten Walnuß schon seit vier Wochen auf dem Rasen. Wird Zeit, dass die da weg kommen.

Wir werden all das aufessen, was in der Küche in zwei Schubladen liegt: in der oberen die „Rohstoffe“ (Mehl, Zucker, Nüsse, Reis, Nudeln, Gries …), in der unteren Konserven. „Kochen mit dem, was da ist“ ist meine Spezial-Disziplin. Kein Fehler mal wieder nachzusehen, was da eigentlich alles lagert (ehe Lebensmittel-Motten auf die gleiche Idee kommen).

Wenn dann immer noch Zeit ist, werden wir das Zimmer des Teenagers vom Kinderzimmer in das Zimmer eines bald 16jährigen verwandeln; ich werde alles ablegen, was ich seit 3 Jahren Blatt für Blatt auf meinen Schreibtisch im Wohnzimmer gelegt habe (okay, das vielleicht doch nicht) und bei schlechtem Wetter vielleicht sogar den Keller aufräumen.

Natürlich werde ich auch alle Strickprojekte beenden, die hier noch liegen (Spoiler: wishful thinking): den Iceroad Shawl, den halb geribbelten Nightshift Shawl und den Weekend Sweater, an dem nur noch die Arme fehlen. Und bei Allem hoffen, dass Corona bald weltweit der Garaus gemacht werden kann.

Aber ob dann alles wieder so wird, wie es war? Ich habe Zweifel.

Was macht Ihr?

 

 

 

 

 

 

 

 

Tuch N°2

Gefühlt habe ich in letzter Zeit mehr geribbelt als gestrickt. Vieles, was im Kopf perfekt funktionierte, ließ sich mit den Händen nicht umsetzen (die roten Socken, der NightShiftShawl, der Birkin …). Kennen wir alle – nicht jede Wolle passt zu jeder Anleitung – passiert halt. Aber zum Glück gibt es ja auch das Gegenteil.

Und genauso war es jetzt!

Projekt und Wolle haben so unfassbar gut zusammengepasst, dass ich schnell mal jubeln muss. Eigentlich zu früh, denn es gibt noch nicht mal Bilder, die dem Jubel gerecht werden, aber spielt das eine Rolle?

Also: zuerst das Projekt. DieStrickmamsell hatte auf Instagram ihr kirschrotes Tuch N°2 von rosa p. gezeigt. Ich habe es kommentiert, ein Wort gab das andere und – zack! – war klar, ich stricke das auch. Genug Wolle war da (dazu später mehr), Nadeln sowieso und noch am gleichen Abend habe ich angenadelt.

Kraus rechts, ab und an ein kleines Loch, Reihen, die immer länger wurden und trotzdem lange nicht langweilig. Es ging tatsächlich richtig flott! Anfangs …. Irgendwann habe ich dann doch den Zopf-Teil herbeigesehnt. Ich hatte genug von kraus rechts und war mir gar nicht mehr sicher, ob das, was ich da strickte, jemals groß und schön werden würde. Ich gestehe: in einer dunklen Stunde war ich (mal wieder) geneigt zu ribbeln … 🙄

Habe ich aber nicht! Stattdessen habe ich im Überschwang noch eine Mustersequenz angestrickt (ohne es zu merken!) und dann erst abgekettet.

Wie so oft hat Baden und Spannen im Anschluß wahre Wunder vollbracht. Mein Tuch wurde nicht groß, sondern riesig und wirklich hinreissend schön.

Und das lag nicht nur an der Anleitung (die im Übrigen wunderbar geschrieben ist), sondern auch an der Wolle.

Um es kurz zu machen: ich habe Regia Premium Merino Yak unterschätzt. Aber sowas von unterschätzt! Mag sein, dass es Sockenwolle ist, aber de facto kann dieses Garn so viel mehr! Weil es so schmeichelnd und weich ist und trotzdem robust, weil es wärmt und – das finde ich das Beste – weil es durch diese ungefärbten kleinen Yak-Fasern meliert ist. Nach dem Waschen plustern die sich noch ein bißchen auf, machen alles noch ein bißchen weicher und mich damit noch ein bißchen glücklicher. Ihr müsst das ausprobieren! Es ist echt so.

Das Grün, mit dem ich gestrickt habe, ist meine allerliebste Lieblingsfarbe*. Ich kann überhaupt nicht beschreiben was es mit mir macht, wenn ich diese Farbe sehe. Kraus rechts in diesem Grün, Zöpfe in diesem Grün, ein wunderbar weiches, wunderbar großes Tuch in diesem Grün – seit es fertig ist, trage ich es jeden Tag.

Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. So lange, bis auch wirklich alle gesehen haben, wie schön das Tuch ist (und dass meine Augen mit diesem Tuch noch ein bißchen grüner sind 🙃).

*Die Farbe ist viel schöner als auf den meisten meiner Bilder. Meliertes Olivgrün, mehr gelb als blau – so, wie Schachenmayr es fotografiert hat.

©Schachenmayr
©Schachenmayr

Ab sofort: grau

Das war’s mit Neonfarben und Pink. Leider. Ich schreibe das nicht ohne Bedauern. Über Jahre konnten die Farben nicht grell genug sein. Jetzt nicht mehr. Und auch die Lieblingsfarbe ist nicht mehr pink. Was an Pink noch da war, hat der Teenager in kleinen Schritten aussortiert (oder ist rausgewachsen).

Nach acht Jahren bunt trägt er nun grau. Wahlweise auch schwarz. T-Shirts sind im Idealfall weiß. Oder schwarz. Nie mehr pink.

Ich weiß noch, wie er in der 3. Klasse in rosa Socken in die Schule ging. Er hatte das vorher lange überlegt, wollte gerne und war doch so unsicher. Nachmittags erzählte er mir, dass er noch vor der Schule gezögert habe, aber dann sei alles ganz leicht gewesen. “Ich habe mich gefühlt wie Zulu.” Zulu, zwei Klassen über ihm und König der Grundschule. Keiner war so cool, so lässig, so beliebt wie Zulu. Zulu, der rosa trug.

Habe ich mich je bei Zulu bedankt?

Es blieb nicht bei Socken – in den Jahren danach wurde alles bunt. Je bunter, umso besser. Sportschuhe und T-Shirts, Stifte, der Schulranzen, diverse Hoodies. Der Basketball in grün und pink. Schließlich der Loop.

Der Loop war der Knaller. Nicht nur, weil er dem Sohn so unglaublich gut stand (und heute noch stehen würde) – üppig und weich in einer Kombination aus Merino und Mohair schrie er geradezu danach, getragen zu werden. Und das wurde er: Zu allem. Gefühlt sechs Monate im Jahr und an jedem einzelnen Tag.

Jetzt kann der Loop schreien soviel er will. Es hört ihn niemand. Er ist diesen Winter noch keinmal aus dem Schrank gekommen. Wie gesagt: ich schreibe das mit Bedauern.

Soll ich gucken gehen, was ich noch an weicher, grauer Wolle habe?

Babyblaue Tussah-Seide

Anfang des Jahres haben sich meine Wollvorräte eher zufällig um zwei Stränge handgefärbter babyblauer Tussahseide erweitert. So schön, so weich, dass ich gleich wissen wollte, wie sich das strickt.

Gesagt, getan und binnen einer Woche – Samstag auf Samstag – war ein babyblaues Tuch gestrickt. Ein Strang von der Spitze zur Mitte, der andere von der Mitte in die Spitze, 5er Nadeln, keine Anleitung und immermal Umschläge in der zweiten Hälfte als glatt rechts anfing mich zu langweilen.

Mit jeder Reihe wurde das Gestrick weicher, fast wollig,  erst nach dem Baden bekam es diese typische Seiden-Haptik – sowas Glattes, Trockenes; das, was nur Seide hat – und ein perfektes Maschenbild.

Die Stränge waren handgefärbt – das hat mich letztlich gerettet. Der eine wog 93gr., der andere 96gr. Ich bin sicher (sehr sicher!), dass ich mit dem kleineren angefangen habe, aber vielleicht stimmt das auch nicht. Denn am Ende hat’s nicht gereicht. Klassischer „yarn chicken game fail“ …

Für die, die es nicht kennen: vom yarn chicken game (da gibt es kein deutsches Wort für. Oder doch?) spricht man, wenn während des Strickens klar wird, dass die Wolle wahrscheinlich nicht fürs geplante Projekt reicht. Oder sagen wir, dass es eng werden könnte. Manche beginnen dann zu rechnen, andere passen umgehend die Anleitung an, wieder andere stricken einfach nur schneller …

Ich gehöre zu letzteren. Hat mir aber nicht geholfen 🙄.

Zum Glück hatte ich ein Knäuel in sehr ähnlichem Blau, was (je nach Licht) fast passend aussieht. Fast …

Von wem ist „it’s not a bug – it’s a feature“? Jetzt ist ein Tuchzipfel eben noch mehr babyblau als der Rest des Tuches. Ich habe es trotzdem heute verschenkt.

Weil ich finde, dass diese Farbe ganz wunderbar zu der Beschenkten passt (auch wenn ich mittlerweile weiß, dass ihre Lieblingsfarbe grün ist).

Ob sie es wirklich mag – das Tuch und den helleren Zipfel – bleibt abzuwarten.

Meine gestreifte Jacke

Vorletzten Winter (oder noch früher? Ich erinnere es nicht) waren Julevotter Adventskalender plötzlich überall in meinen Feeds. 24 kleine Fausthandschuhe mit Zahlen auf einer Seite und Norwegermustern auf der anderen. 24 verschiedene Norwegermuster selbstverständlich. Ihr kennt die Dinger.

Ich glaube, Kathi hat mittlerweile drei gestrickt, Sophia hat jedes Jahr (mindestens) einen an der Wand (noch einen und ich kündige Euch die Freundschaft, Ladies – nur dass ich das mal gesagt habe) und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müßte jetzt auch so einen stricken.

Der Beginn dieses Projektes war gut und erfolgversprechend: ich habe Lettlopi in den schönsten Farben gekauft und in einer großen Tüte nach Hause getragen.

Das Ende dieses Projektes kam plötzlich – gleich nach dem ersten Handschuh. Es hat nicht mal mehr zum Fäden vernähen gereicht – und war wahrscheinlich vorhersehbar: Nadelspiel, geringe Maschenzahl und immer zwei Fäden in den Händen haben mir binnen allerkürzester Zeit gezeigt, wo meine Grenzen sind …

Danach lag Lettlopi in den schönsten Farben (zusammen mit einem kleinen Handschuh) in einer Kiste.

Diesen Sommer (prima Zeit übrigens, um mit skandinavischer Wolle zu stricken 🙄) habe ich die Knäuel dann wieder vorgeholt und eine Strickjacke draus gemacht. Genau so: Impulsstricken (gibt es das Wort?) – ohne Anleitung, ohne Plan, ohne nichts. Angefangen, gestrickt, abgekettet, Fäden vernäht (bis auf einen Gelben; „den vernähe ich auch noch“ denke ich jedes Mal, wenn ich die Jacke anziehe).

Sie ist perfekt. Mit jedem Tragen weniger kratzig, in Farben, die mich fröhlich machen, wenn es draußen grau ist und mit großartigen Knöpfen. Nur eins habe ich nicht bedacht: Menschen wie ich, die ihre Jacken immer (immer!) zuknöpfen, sind mit hüftlangen Jacken nicht gut beraten. Das ist entweder zu eng oder die Knöpfe halten nicht. Es ist Murks.

Natürlich könnte ich jetzt die Knöpfe abtrennen, dann die (angestrickte) Knopfblende ribbeln und danach die unteren Ringel der Jacke, schließlich ein neues Bündchen und eine neue Blende stricken und (puh!) die Knöpfe wieder annähen. Aber was würde ich dann mit den Knöpfen machen, die übrig bleiben?

Außerdem würde niemand der Welt schönste, brandneue Gürtelschnalle sehen, die mir meine wunderbare Freundin Bettina zum Geburtstag geschenkt hat – und das wäre so schade!

Also lasse ich das jetzt so, trage die Jacke offen, friere am Bauch und hoffe, dass ich mich irgendwann daran gewöhne 😬.

Der kalte Bauch ist wahrscheinlich die Rache des kleinen Handschuhs. Der liegt hier immer noch und wird auf ewig alleine bleiben.