Kaum etwas hat (wenn’s um Wolle geht) einen so schlechten Ruf wie Maschenproben. Und auch wenn es mir egal sein könnte (schließlich weiß ich, wie sinnvoll die kleinen Dinger sind), hier und jetzt sowas wie eine Richtigstellung. Denn sie haben es verdient.
„Maschenproben sind ‚was für Anfänger:innen. Die muss ich nicht mehr machen“.
Schonmal gehört? Ich denke, es ist genau andersherum: je länger ich stricke, umso mehr mache ich sie mir zu Nutzen. Denn nur dann bin ich in der Lage, eine Anleitung als Inspiration zu nehmen, um sie mir auf Basis meiner Maschenprobe so umzurechnen, dass am Ende genau das rauskommt, was ich haben möchte.
„Warum sollte ich Wolle für eine Maschenprobe verschwenden?“
Ja, mag sein, dass die wenigen Gramm, die ich für eine Maschenprobe gebraucht habe, am Ende fehlen. Aber das Risiko, dass ein Pullover nicht so sitzt, wie er sitzen könnte, ist deutlich höher. Und wie viel wäre dann verschwendet? Abgesehen davon hebe ich jede Maschenprobe auf. Für’s nächste Projekt. Maschenproben sind sowas wie (m)eine Investition in neue Projekte.
„Auf der Banderole steht doch, wie viele Maschen ich auf 10 cm haben werde.“
Das glaubt hoffentlich niemand mehr. Denn auch wenn es sein kann, dass das manchmal passt, ist es eigentlich nur ein Richtwert. Weil stricken wie schreiben ist und jede Handschrift ist anders. Ja, ja, ja. Wissen wir alle – manche aber aus leidvoller Erfahrung.
Last but not least höre ich immer wieder „Maschenproben sind sooo langweilig“.
Echt? Finde ich tatsächlich gar nicht. Nichts hilft mir so sehr ein Garn kennenzulernen. Wie plastisch wirken Zöpfe? Wie tauglich ist das Garn für FairIsle? Mit welchen Nadeln wird das Maschenbild am schönsten? Wie fühlt es sich an? Was passiert beim Waschen?
Kurz: Ich habe tatsächlich keinen Pullover, keine Jacke, zu der es nicht mindestens eine Maschenprobe gibt. Und jeder und jede einzelne – Überraschung! – sitzt wirklich gut.
Gestern habe ich also eine Maschenprobe aus der neuen REGIA Premium Pure gestrickt. Und dann eine zweite.
Die Pure ist ein schönes, weiches Garn, eigentlich Sockenwolle, aber aus 100% Wolle. Ich möchte daraus einen Pullover stricken. Von oben nach unten, FairIsle, acht verschiedene Farben. Da werde ich eine Weile dran sitzen. Überflüssig zu sagen, dass der Monk in mir Perfektion erwartet. Perfektion!
Nadeln 2 bis 3 sagt die Banderole – Nadeln 3,5 oder 4 möchte ich.
Keine Überraschung also, dass meine Maschenprobe nicht mit den Angaben der Anleitung übereinstimmt. 21 Maschen auf 10 cm sollen es sein, 26 Maschen sind es bei mir (nach dem Waschen) mit 3,5er Nadeln. 24% mehr, als ich haben soll. Das ist ziemlich viel.
Aber das Maschenbild ist schön.
Also sitze ich hier jetzt schon eine Weile und rechne die Anleitung um. Zu meiner Erleichterung ist das dieses Mal gar nicht so schwer: es ist ein Damenpullover, der dank meiner Maschenprobe fast von alleine zum Herrenpullover wird, die Proportionen stimmen. Außerdem hat keins der FairIsle Muster einen Maschenrapport von mehr als 8 Maschen. Zur Not könnte ich also „unterwegs“ noch anpassen.
Ich werde mit provisorischem Maschenanschlag beginnen und das Bündchen am Hals erst zuletzt stricken. Nicht nur, weil das besser sitzt (finde ich), sondern auch, weil ich dann mehr Möglichkeiten habe, sollte irgendwas nicht so geworden sein, wie ich es haben möchte.
Eine Fleißarbeit – angefangen mit der Maschenprobe. Könnte es sein, dass die, die keine stricken, zu Fleiß nicht bereit sind? Ich wüßte keinen anderen Grund 😉.
Verlinkt zu Andreas Samstagsplausch.