Sommer in Berlin

Wir wohnen in einer kleinen Straße, die letzte Hausnummer ist die 19. Mehrheitlich Einfamilienhäuser, viele davon auf zurückliegenden Grundstücken und deshalb immer mal wieder mit dem Zusatz „a“, „b“ oder sogar „c“. Um die 50 Menschen, viele über 65 und jeder Haushalt mit eigener „Einbruchhistorie“. Allein in der 19 wurde viermal eingebrochen, dem Paar in der 8a das Auto gestohlen, in der 17 der Einbruch verhindert, weil der Nachbar das Licht der Taschenlampe sah – die Liste könnte ich zu jedem Haus fortsetzen.

Wir sind 2012 hierher gezogen. Kein Jahr später kamen Einbrecher durchs Küchenfenster … So richtig dagegen tun kann man nur wenig, sagte uns die Polizei damals. Und dass das Einzige, was wirklich schützen würde, aufmerksame Nachbarn sind.

Heute gleicht das Haus einer Festung Damals haben wir Fenster und Türen gesichert. Und im Folgejahr habe ich mit drei Nachbarinnen ein Sommerfest ins Leben gerufen. Seither treffen wir uns einmal im Jahr in wechselnden Gärten und alle tragen dazu bei, dass das Fest ein Erfolg wird. Zelt und Lichterketten, ein Buffettisch oder eine Kühlkiste für Fischfang in Skandinavien, diverse Grills und Biertischgarnituren, Gläser, Porzellan und köstliche Salate, sogar selbstgebrannter Erdbeerschnaps – schon verrückt, was andere in Keller und Garage lagern. Um die 40 Menschen feiern immer zusammen. Eher mehr als weniger.

Ich weiß noch, wie fremd wir uns im ersten Jahr waren. Ich hatte Anstecker vorbereitet, auf die sich jeder die eigene Hausnummer schrieb. „Ach, Sie sind das mit dem neuen Dach!“ – „Der Herr aus der 3a, ob Sie mir den Ketchup geben würden?“ – „Und Ihr wohnt in dem schönen, grünen Haus an der Ecke?“

Mittlerweile kennen sich eigentlich alle, manche sind neu zugezogen, andere sind nicht mehr dabei, mit vielen sind wir mittlerweile per Du und gefeiert wird jedes Jahr. Seither wurde nur noch einmal eingebrochen. In der 9b. Und das ist zwei Jahre her.

Nächstes Wochenende ist wieder Sommerfest und ich gestehe, ich gehe zum ersten Mal mit gemischten Gefühlen hin. Wir werden nicht auf Bierbänken sitzen, sondern auf Plastikstühlen, um Abstand wahren zu können. Es wird Desinfektionssprays geben, die genutzt werden müssen vor dem Gang ans Buffet. Grillen darf nur, wer Maske trägt. Wir werden (hoffentlich) alle achtsam miteinander umgehen.

Ob das dennoch zu leichtsinnig ist? Es ist ewig her, dass der Mann und ich an einer Veranstaltung mit so vielen Menschen teilgenommen haben. Und was bringen wir mit? Eine Schüssel Salat, aus der sich alle bedienen oder vielleicht doch besser Kuchen, der bereits in Stücke geschnitten ist? Was würdet Ihr machen? Absagen? Kuchen backen?

Ich bin eine von „den Guten“! – glauben wir das nicht alle? Die, die das Virus übertragen, sind „die Anderen“! – woher nehmen wir diese Sicherheit? Jede Woche, ach was: jeden Tag tue ich etwas, was ich genau genommen nicht tun sollte. So, wie Freitag morgen, als ich die Nachbarin auf der Strasse umarmt habe. Weil ich es einfach nicht hinkriege zu verstehen, dass Überträger auch die sein können, die ich gerne habe, die mir vertraut sind.

Schon vor Monaten ist eine Kinderdecke aus Wollresten fertig geworden. Gehäkelte Quadrate mit Blumen waren der Anfang, die Streifen kamen dazu und es fasziniert mich zu sehen, wie alles zu einer Einheit geworden ist. Die Farben und Materialien sind so schön zusammen. Der kleine Deckenbesitzer ist Anfang Februar auf die Welt gekommen und ich wünsche mir sehr, dass er irgendwann Spaß daran hat, an Blütenblättern zu zupfen, das Glitzern in dem grauen Regia Soft Glitter zu entdecken oder aus all den Farben, seine Lieblingsfarbe zu wählen.

Vielleicht ist es ja pink 😉

Verlinkt mit Andrea’s Samstagsplausch.

Bakers‘ Twine

Ende April wurde die Schwester meines Schwiegervaters 92, tags drauf war der 86. Geburtstag meiner Schwiegermutter. Beide Damen wohnen im gleichen Ort, es wäre einfach gewesen hinzufahren, aber sie wollten es nicht. Sie wollten in diesem Jahr lieber auf Gäste verzichten. Und bitte auch keine Geschenke. Da hätte sich eh so viel angesammelt, was sie gar nicht mehr brauchen würden …

Was hättet Ihr gemacht? Wir waren wirklich kurz davor trotzdem zu fahren. Ich meine, mal ehrlich – 92 und 86. Natürlich wünsche ich mir, dass beide noch lange leben, aber wie viele Geburtstage wir noch zusammen feiern können, weiß der Himmel. War echt nicht leicht ihren Wunsch zu respektieren. Also habe ich gedacht: wenigstens schenken! Irgendwas Kleines!

Topflappen – die braucht man immer.

Vier Stück habe ich gestrickt, nach der wunderbaren Anleitung von Ducathi.

Bisher hatte ich nur den Badvorleger im gleichen Design gemacht – ein ungleich größeres und langwierigeres Projekt. Nun also das Original und das war ein großes Vergnügen! Jeden Tag wurde einer fertig – die gingen rasant schnell von den Nadeln.

Überdies hat es Spaß gemacht in meinem ‚Catania-Fundus‘ zu kramen und dann immer zwei Farben so mit einer dritten für den Kringel zu kombinieren, dass jeder Topflappen das aussagte, was er sagen sollte: ein bißchen ‚was von uns.

Das Ganze in Farben, die die Damen mögen. Für jede ein Paar, aber nicht identisch. Denn warum sollen Paare immer gleich sein?! Der Mann und ich, wir sehen uns ja jetzt auch nicht sooo ähnlich …

Angefangen habe ich mit dem Himmel über Berlin. Blau-weiß meliert für den Lappen und ein gelber Kringel, der wahlweise für Sonne oder Goldregen steht. Das sind Farben, die meine Schwiegermutter gerne hat.

Dann kam grün-hellgrün für unseren so unfassbar grünen Garten, dazu ein roter Kringel für Tulpen oder Äpfel, Johannisbeeren, Tomaten oder Erdbeeren – irgendwas ist immer rot zwischen Frühling und Herbst. Wenn die Tante uns in Berlin besucht, besteht sie darauf mir im Garten zu helfen. Ich wußte deshalb, dass sie die Farben lieben würde. Und so war es auch.

Der nächste Topflappen wurde blau-dunkelblau mit gelbem Kringel, weil das unsere Farben sind. War mir gar nicht klar, was hier alles blau-gelb ist, bevor ich angefangen habe, mich nach möglichen Bildmotiven umzusehen. Den fertigen Topflappen hat auch die Tante bekommen.

Der vierte wurde dann wieder für die Schwiegermutter. Sie mag die zarteren Farben: gelb-weiß wie die neu gemachte Fassade unseres Hauses, dazu ein flaschengrüner Kringel für Haustür und Garagentor.

Jeden Topflappen habe ich schließlich gerollt und eine Papier-Banderole drumgebunden, auf der stand, wie er heißt – also „Himmel über Berlin“ oder „Garten“ oder so – bemalt in den jeweiligen Farben, aber da habe ich dann offensichtlich kein Bild mehr von gemacht. Sah auf jeden Fall sehr schön aus (fand ich).

Beide Geburtstags“kinder“ schienen hocherfreut und bedankten sich herzlich. Das wiederum hat mich gefreut und ich denke jetzt darüber nach, vielleicht doch noch ein paar Topflappen auf Vorrat zu stricken 🙃.

So als schönes kleines Projekt für unterwegs – wobei ich zur Zeit ja gar nicht unterwegs bin … #stayhomestaysafe … Aber irgendwann wird auch das vorbei sein. Irgendwann ist (hoffentlich!) wieder Alltag!

Iceroad Shawl

Zu behaupten, dass hier alles nach Plan läuft und Strickprojekte fast von alleine fertig werden, wäre gelogen. Viel eher habe ich das Gefühl, dass nichts passiert. Gar nichts. Draußen fahren keine Autos, gehen keine Menschen und auch drinnen bewegt sich nichts oder nur wenig.

Alles wie in Zeitlupe. Irgendwie hat das sogar was. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einfach nur ‚rum gesessen habe. Das genieße ich total – wissend, wie priviligiert ich bin. Weil ich gesund bin und weil die, die mir wichtig sind, das auch sind. Weil ich von zu Hause aus arbeiten kann, keine Gehaltseinbußen habe und entsprechend auch keine Existenzängste. Weil das Internet schnell ist, der Kühlschrank voll und das Wasser aus der Wand immer verfügbar – unbegrenzt Hände waschen also.

Und so ist Masche für Masche der Iceroad Shawl fertig geworden. Das Tuch, zu dem Maike (@Skudderia_Fineyarns) von Catharinas (@ducathi) Baker’s Twine Topflappen inspiriert wurde. Das habt Ihr im Februar vielleicht auf Instagram gesehen.

Ich mag die Anleitung des Tuches sehr, vor allen Dingen die Idee der verkürzten Reihen, die dazu führen, dass das fertige Tuch eine (für mich) sehr tragbare Form hat. Und das mit nur knapp zwei Knäuel Regia Premium Bamboo. (13 gr. sind übrig geblieben). Es ist jetzt nicht riesig-riesig geworden, aber groß genug, um es sich nicht nur umlegen zu können (mag ich eh nicht), sondern es auch zu knoten (mache ich immer). Allerdings haben mir die letzten Reihen auch viel Geduld abverlangt … Die waren endlos.

Mit 4er Nadeln gestrickt, ist der Iceroad Shawl schön locker geworden. Er fällt toll. Ich mag vor allen Dingen den leichten Glanz, aber – um der Wahrheit Genüge zu tun – Bamboo ist nicht mein Favorit aus der Premium Serie. Irgendwie dachte ich, dass es sich durch waschen und spannen deutlicher verändern würde. Hat es aber nicht. Es wird kein Yak 😉 – wie auch, es ist Bambus.

Und warum auch immer es so ist: bei simplen Mustern verstricke ich mich überproportional häufiger als bei allem, was kompliziert ist. ’10 Maschen rechts, 4 Maschen anders‘ ist echt kein Hexenwerk und doch habe ich ungezählte Male geribbelt oder zurück gestrickt. Zwei Mal nicht, zwei Fehler habe ich drin gelassen, wissend, dass mich das später ärgert. So ist es jetzt.

Aber: fertig ist fertig und da freue ich mich drüber.

Photo credit für das Scilla-Blumenbild geht an meine Schwester. Sie hat es mir neulich geschickt und nachdem der Lavendel noch nicht blüht …