Gioia Socken

Wieder ist eine Woche vorbei und erstmalig musste ich tatsächlich überlegen, ob und über was ich schreiben soll. Denn irgendwie war in den vergangenen Tagen so manches zu viel und anderes zu wenig. Alles, was ich heute zeigen kann, ist deshalb ein Paar Gioia-Socken in Größe 23. Und die waren nicht geplant … Wie es halt manchmal so geht.

Hier ist ihre Geschichte:

Im April ist ‚Intarsientechnik‘ das Thema im Rahmen des Jahresprojektes, dass ich mir mit Andrea vorgenommen habe. Gestrickt werden soll, (wie im Masterclass Buch vorgeschlagen,) das Brambling-Tuch von Bristol Ivy. Aber nun, wo die Schulter unverändert muckt, war sogar mir klar, dass es nicht schlau wäre, innerhalb eines Monats ein ganzes Tuch zu stricken.

Während ich also darüber nachdachte, stolperte ich förmlich über die Gioia-Socken von Rebekka Mauser, die auf Instagram ein Bild dieses neuen Designs zeigte und nach Test-Stricker:innen fragte. Gioia ist italienisch für Freude. Das dachte ich als erstes und dann, dass es wohl eine gute Idee wäe, statt eines Tuches einfach ein kleines Paar Socken in Intarsientechnik zu stricken.

So richtig hat das aber nicht geklappt … Ich wurde zwar als Test-Strickerin angenommen, musste aber ziemlich schnell feststellen, dass die ungewöhnlich konstruierten Socken gänzlich ohne Intarsien gearbeitet werden …. So kanns gehen. Macht aber nichts – im Gegenteil.

Die (englische) Anleitung ist unkompliziert, tatsächlich anders als alle Socken, die ich je gestrickt habe und so einfach, wie logisch. Die Babysocken waren blitzschnell fertig, die Gruppe der Teststrickerinnen engagiert und das bunte Ergebnis gefällt mir überaus gut.

Eigentlich haben die Gioia-Socken ein geringeltes Bein und eine geringelte Fußspitze – es lohnt sich deshalb wirklich, in den nächsten Tagen mal auf Instagram unter #GioiaSocks nach den verschiedenen Modellen zu gucken. Da sollten dann tolle Farbkombinationen in allen Größen dabei sein. (In größeren Größen haben die Socken auch andere Proportionen).

Die kleinen Socken habe ich aus Regia Premium Resten gestrickt. Ein winziger Rest Merino Yak vom Herzen-Tuch (so wenig, dass es tatsächlich nicht ganz für die zweite Ferse gereicht hat), Silk in silbergrau vom Kolding und in teal von den Lovis-Socken und hellblaue Cashmere von der Baby-Kimonojacke.

Und wie sich das für einen Test-Strick gehört, habe ich getestet. Deshalb ist die Farbverteilung unterschiedlich. Stört aber weder mich, noch den zukünftigen Besitzer, noch seine Mutter.

A propos stören: Acht zu vernähende Fäden pro Socke muss man mögen. Mag ich nicht besonders, aber die kleinen Socken sind es wert. Wirklich, sie tragen ihren Namen zu Recht.

Ein langes Wochenende liegt vor uns. Nach all dem Lockdown sollte man meinen, Ruhe hatten wir genug. Gilt nicht für mich. Deshalb freue ich mich jetzt auf Ausschlafen, Zeit, lesen, nichts tun.

Nichts als Friede, Freude, Eier suchen 🐇

Was immer Ihr macht – habt es schön!

Ende Dezember

Ich habe Handschuhe gestrickt. Einfache, weiche Fausthandschuhe aus Wollresten im Rippenmuster. Und ein paar kleine Quadrate gehäkelt. Auch aus Wollresten. Sonst nichts. Dabei würde es sich anbieten, mehr zu machen. Draußen ist es kalt und grau, ein freier Tag reiht sich an den nächsten und Wolle liegt hier (mehr als) genug. Aber irgendwie geht es gerade nicht.

Also mache ich einfach gar nichts, während dieses so merkwürdige Jahr zu Ende geht. Gucke in Kerzen oder aus dem Fenster, schlafe aus und gehe spazieren, während ich darauf hoffe, dass es morgens bald wieder hell ist.

Denn wie immer um diese Jahreszeit glaube ich, dass mit dem 1. Januar alles neu und anders wird.  Auch wenn ich weiß, dass das nicht stimmt.

„Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt“ soll Schopenhauer gesagt haben. Je älter ich werde, um so mehr fehlt mir Licht.

Deshalb werde ich jetzt schnell noch mal um den Block gehen, ehe es wieder dunkel wird und ehe ich dann bei Andrea lese, was sie und viele andere zum Jahresende bewegt.

Was immer Ihr macht, an diesen letzten Dezembertagen – habt es schön 💙.

 

 

 

Jede Menge Grau

Die erste große Liebe … denkt Ihr da manchmal noch dran? Viele Jahre ist das bei mir her und doch ist die Erinnerung daran heute sehr präsent, während ich lange, graue Reihen am Kolding stricke.

Ich konnte damals mit seinen Freunden nichts anfangen, er nicht mit meinen. Unsere Familien kannten sich nicht. Unsere Interessen, Ziele, Gedanken, Ansichten hätten unterschiedlicher nicht sein können. So wie Sartres „Das Spiel ist aus“, nur ganz anders.

Grönemeyer, Westernhagen, Lindenberg, Klaus Lage. Wir haben sie alle live gesehen. Das Knoblauchfest in Darmstadt, Alexander Berkmans „ABC des Anarchismus“, Sardinen vom Grill, der kleine Junge an der Strasse. „Gibt’s hier was für Kinder?“ hat er mit großen Augen gefragt.

Erinnerung ist selektiv.

500 Tage. Es waren genau 500 Tage. Alles ein Rausch. Und immer und überall Menschen. Er sprach mit allen, fing sie ein. Ein Menschenfänger. Fröhlich, unbekümmert, großzügig, charismatisch. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Es konnte nicht gut gehen, sage ich. Es hätte funktionieren können, sagt er. Als es zu Ende war, waren wir beide im freien Fall. Erst Tränen, dann Funkstille.

Jahre danach (10? Vielleicht mehr?) sind wir zusammen ins Zillertal gefahren. Als Freunde. Nach einer Woche haben uns die Gäste zum Traumpaar gewählt. Weil wir uns wortlos verstehen, haben sie gesagt, und so entspannt sind. Auch daran hat sich nichts geändert.

Er hat einen Platz in meinem Herzen und das wird für immer so sein.

Es gäbe noch so viele Geschichten zu erzählen. Die schönste Geschichte von allen ist jedoch, dass wir uns nie verloren haben. Mag sein, dass wir uns nicht oft sehen, aber das macht nichts. Wenns drauf ankommt, klappt es irgendwie. Als er Onkel wurde, saß ich mit ihm in einer Kneipe in Frankfurt. Als der Teenager auf die Welt kam, kam er nach Berlin. Natürlich waren wir dabei, als er seine Lebensliebe geheiratet hat und als Darmstadt 98 sich im Spiel gegen Hertha BSC den Klassenerhalt gesichert hat, auch.

Ich kenne ihn mehr als die Hälfte meines Lebens.

Vergangene Woche hat mir eben dieser Freund in einer Nachricht geschrieben, dass er positiv getestet wurde. Obwohl er niemanden gesehen hat. Obwohl er sich an alle Vorgaben gehalten hat. Es geht ihm nicht sehr gut, schreibt er. Atemnot und Husten. Kein Geschmacksinn. Kein Geruch.

Ich stricke lange, graue Reihen (die beige aussehen im Bild, weil es draußen grau ist) und denke an den Freund. An ihn und an seine Frau, an Andrea und ihren Mann. Daran, dass dieses verdammte Virus verschwinden soll!

#FUCKcorona

Rosa Kaschmir mit Alpaca

[Werbung] Ende 2019 habe ich aus der Wolle, die meine Mutter mir kurz zuvor aus Estland mitgebracht hatte, eine grüne Jacke gestrickt. Ein absolutes Lieblingsteil! So schön und warm, dass ich schon damals wußte, dass es nicht bei der einen Jacke bleiben würde.

Nun habe ich mir tatsächlich eine zweite gestrickt – genau so wie die Grüne, nur ganz anders.

Viel zarter, viel weicher, aus Regia Premium Cashmere und Schachenmayr Alpaca Cloud. Kein Vergleich zu estnischen Schafen 🐑. Und auch die Farbe hat mit dem kräftigen Grün nichts gemeinsam.

Allerdings ist die Machart ähnlich: Beide Jacken sind ein Raglan-von-oben und haben ein Muster ab Taille. Nur habe ich dieses Mal nicht improvisiert, sondern habe den Raglan-Rechner von Thorsten Duit getestet.

Davon habe ich gleich in zweierlei Hinsicht profitiert: Dank Thorsten und dank Regia.

Thorsten weiß unglaublich viel, wenn es um stricken und Stricktechniken geht. Und dieses Wissen fließt fast beiläufig in seine Anleitung mit ein. Kleine Tricks, mögliche Alternativen, Variationen, Basiswissen – manchmal nur Halbsätze und doch unglaublich viel Information, die dazu führt, dass am Ende jedes gestrickte Oberteil genau so wird, wie man es haben möchte: weit oder eng, mit V-Ausschnitt oder Rundhals, tailliert oder in A-Linie, als Jacke, Pullover oder Top und in jeder Garnstärke.

Mitbringen muss man dafür denkbar wenig: drei Maße. Das wars.

Regia hat mir das Garn spendiert – 3 Knäuel der Regia Premium Cashmere und 4 Knäuel Alpaca Cloud. (Danke, Stefanie 😘).

Regia Premium Cashmere gefällt mir sehr gut. Ähnlich wie die Silk der gleichen Serie ist es weich, hat ein wunderbares Maschenbild, fällt schön und wärmt. Dass es obendrein Sockenwolle ist, ist dabei kein Fehler. Im Gegenteil. Denn all das, was Sockenwolle kann, können die Garne der Premium-Serie auch. Das heißt, sie sind formbeständig, temperaturausgleichend, maschinenwaschbar und so.

Alpaca Cloud ist ein dünnes fusseliges Garn, das wunderbar als Beilaufgarn funktioniert, ist gleichzeitig aber auch das Maximum an Fussel, das ich (v)ertrage. Es juckt zwar nicht so wie Mohair, aber es ist keine glatte Faser und macht deshalb ein „weich“, das ich nicht so gerne habe. Gut ist allerdings, dass es sich in jede einzelne Masche schiebt, so dass mein normalerweise eher lockeres Gestrick jetzt „dicht“ ist. Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt, wenn ich die Jacke länger getragen habe.

Ich wollte sie taillenkurz und so weit, dass sich die Vorderteile überlappen. Ein bißchen wie ein Kimono. Dazu schmale Ärmel. Die Blende ist ein iCord – und das Einzige, was ich überlege, es unter Umständen doch noch zu ändern. Wäre da nicht dieses flauschige Alpaca, hätte ich das wohl schon gemacht. Eine leise Ahnung, wie mühsam das wird, hält mich zurück …

Schließen möchte ich die Jacke am liebsten mit zwei Knöpfen, die mit einer kleinen Kette verbunden sind. Oder mit einer vergleichbaren Schließe (nicht mit der Stricknadel, wie unten im Bild). Mal sehen. Bisher habe ich weder danach gesucht, noch in meinem Fundus etwas passendes entdeckt.

Das Muster unterhalb der Taille kommt aus einem Lamana-Heft. (Meinen dunkelblauen Schal aus Regia Premium Alpaca habe ich schon danach gestrickt). Besonders schön finde ich, dass es so plastisch wirkt. Es sieht aus wie gezopft, ist es aber nicht. Und weil es sich alle vier Maschen wiederholt, konnte ich es auch für die Raglanlinie verwenden.  Schick, oder?

Die Anleitung für das Muster ist eine Kaufanleitung, deshalb kann und möchte ich sie hier nicht teilen. Wer mehr dazu wissen möchte, folgt am besten diesem Ravelry-Link.

Den Raglan-Rechner hat Thorsten am vergangenen Mittwoch online gestellt. Er ist kostenfrei verfügbar. Das passende Video findest Du auf YouTube und wer noch mehr Details und Hilfestellungen braucht oder Thorsten unterstützen möchte, kann eine sehr ausführliche und bebilderte Anleitung bei Ravelry erwerben.

Heute kam meine Jacke zurück und nun mache ich das, wofür vor dem Versand keine Zeit mehr war: ich wasche und spanne sie. Tragebilder ergänze ich dann morgen.

Neuer Tag – neue Bilder. Und jetzt auf! zu Andreas Samstagsplausch

RBG

Manchmal weiß ich schon montags, worüber ich am kommenden Wochenende schreiben möchte. Manchmal sitze ich sonntags vor dem leeren Bildschirm ohne Plan oder Idee. Und manchmal ist alles anders.

So, wie dieses Wochenende.

Ruth Bader Ginsburg ist gestorben und das geht mir nicht aus dem Kopf. Es beschäftigt und blockiert mich das zu schreiben, was ich sonst hätte schreiben wollen. Weil ich Amerikanistik studiert habe, weil ich beruflich viel mit Amerika zu tun habe und – das ist wohl das Entscheidende – weil ich RBG sehr bewundert habe.

Ihre eiserne Disziplin, ihr scharfer Verstand und ihre äußerliche Gelassenheit haben mich mindestens genauso beeindruckt, wie das, was sie erreicht hat. Sie war Ikone des feministischen und liberalen Amerikas, Rechtsprofessorin und Popstar, Richterin am Supreme Court, eine unglaubliche Frau. Sie nannte Trump einen Schwindler.

Notorious RBG wurde sie genannt und das soll ihr gefallen haben. Notorious heißt berühmt-berüchtigt. Auf Bildern setzte man ihr die Krone von Notorious B.I.G. auf (die übrigens gerade in einer Auktion für 600.000 US$ verkauft wurde, aber das gehört hier eigentlich nicht hin).

Ich möchte heute nicht über Wolle schreiben.

Wenn, dann nur über den Dissent Cowl von Carissa Browning. Es gibt eine Strick- und eine Häkelanleitung für diesen Kragen, der in Anlehung an RBG’s berühmtesten Kragen, den Dissent Collar, designed ist. (Wer es nicht weiß: RBG hatte zahlreiche Kragen, die sie zur Richterrobe trug. Sie waren eines ihrer Markenzeichen).

Gestern hat Carissa Browning auf Instagram angekündigt, dass der Erlös aus dem Verkauf beider Anleitungen ab sofort und bis zum Wahltag am 3. November 2020 zu 100% der ACLU, der American Cicil Liberties Union, die sich für Bürgerrechte einsetzt (z.B. Abtreibung, Meinungsfreiheit, Abschaffung der Todesstrafe, die Rechte von Homosexuellen usw.) zugute kommen soll.

Heute morgen hat sie überwältigt geschrieben, dass in weniger als 24 Stunden über 10.000 Dollar zusammen gekommen sind.

Ich habe meinen Dissent Cowl gestern Abend begonnen. In nachtblau und mint. Aus Regia Premium Alpaca Soft.

 

Verdammt, ja, ich bin traurig. Noch 44 Tage bis zur Wahl.

 

Mein Beitrag zu Andreas Samstagsplausch. Wieder mal erst am Sonntag.