Auf den Nadeln

In den letzten sieben Tagen habe ich nicht eine Masche gestrickt oder gehäkelt. Das war nicht schön, aber es hat gut getan. Den Schultern zumindest. Kopf und Seele sehen das anders.

Der eine Job und der andere, der Teenager und das Zuhause – irgendwas ist immer. Trotzdem sitze ich normalerweise jeden Abend (mal früher, mal später) mit Wolle auf dem Sofa. Und wenn ich das nicht kann, fehlt es mir. So, wie vergangene Woche.

Stattdessen habe ich mehr gelesen als sonst, war zu viel online und habe zu viel Schokolade gegessen.

Morgen stricke ich also wieder, habe ich beschlossen. Wenigstens ein paar Reihen. Auf den NAdeln hätte ich genug …

Als erstes möchte ich das Knit Your Love Tuch zu Ende stricken. Es wäre längst fertig, hätte ich nicht entschieden, es deutlich größer zu machen, als die Anleitung vorgibt. 20 Herzen sollte es haben und aus nur einem Knäuel gestrickt werden. 25 Herzen sind mittlerweile fertig und die lange Seite ist 1.80m lang. Geschätzte drei Herzen kommen noch bis Ende des zweiten Knäuels dazu.

Zurück auf den Nadeln ist mein gepunkteten Tuch seit ich eine Hälfte geribbelt habe. Gestrickt hatte ich erst weiße Punkte auf hellblau und dann hellblaue Punkte auf weiß. Ich hatte nur je einen Strang schönster, weicher Merinowolle von der Wollnerin und wollte nicht nachkaufen. Ohne den Wechsel hätte die Wolle aber nicht gereicht. Denn Punkte entstehen aus jeweils vier Reihen – das heißt, man braucht doppelt so viel Garn wie für die beiden Zwischenreihen. Also habe ich während des Strickens das verbleibende Garn immer wieder gewogen und als ein Drittel in hellblau verstrickt war, die Farben gewechselt.

Warum auch immer: die hellblauen Punkte sahen eher aus die Quadrate. (Auf ravelry gibts ein Bild).  Das hat dazu geführt, dass ich das Tuch in gut zwei Jahren nicht einmal getragen habe. Nun ist die Hälfte mit den „quadratischen Punkten“ geribbelt und ich habe bei der Wollnerin doch noch einen zweiten Strang in diesem wollweiß gekauft, das hoffentlich für viele Reihen weißer Punkte reichen wird.

Auch die Häkeldecke ist nicht gewachsen. Immer noch nur sieben (von sechzehn) Reihen, 63 von 144 Quadraten. Aber nachdem es das Häkeln war, das mir bzw. meinen Schultern nicht bekommen ist, wird sich daran so bald auch nichts ändern.

Ich sehe mich an lauen Sommerabenden auf der Veranda sitzen, in den Garten gucken und zwischendurch immer mal wieder ein Granny Square mit dem nächsten verbinden – vorausgesetzt, ich habe bis dahin einen Schaukelstuhl 😉 Bis dahin ist die Schulter dann auch wieder gut.

Das einzige, was tatsächlich nicht mehr auf den Nadeln ist, sind die hellen Sneakersocken nach der Anleitung für #LoireSocken von Regia. Sie waren vergangene Woche schon gestrickt und mussten nur noch an der Spitze zusammengenäht werden. Geschrieben für normale Socken, habe ich das Bündchen auf 1cm verkürzt und dann den Schaft weggelassen. Ferse, Fuß und Spitze sind gemäß Anleitung gestrickt. Perfekt!

Gestrickt habe ich mit ganz normaler Regia-4fädig in der Farbe Candy color. Die finde ich total schön mit ihren kleinen Sprenkeln. Zum Glück habe ich noch ein zweites Knäuel. Das wird sicher auch in Sneakersocken verwandelt. Hazel Sneakers oder so.

Das war’s. Mehr liegt hier nicht.

Ist das jetzt Nadelgeplapper oder Samstagsplausch?

 

 

Granny Squares

Schon erstaunlich, was einem so durch den Kopf geht, während man ein Granny Square mit dem nächsten verbindet.

Wenn der Körper eines Pullovers gestrickt ist und nur noch die Ärmel fehlen, wenn das Gestrick auf Deinem Schoß immer schwerer wird und sich verdreht, während du erst den einen und dann den anderen Ärmel strickst, wenn du viel lieber schon etwas Neues anfangen würdest – das ist #SleeveIsland.

Beim Socken stricken ist es mitunter ähnlich. Die erste Socke macht deutlich mehr Spaß als die zweite. In der zweiten wiederholt sich alles, der Reiz des Neuen ist weg. Auch da würde ich lieber schon was anderes anfangen. Typisch #SecondSockSyndrom eben.

Warum gibt es eigentlich keinen vergleichbaren Hashtag für das Verbinden von Granny Squares? … #SentencedToJoining vielleicht oder #ForeverJoining. Zu jedem Quadrat habe ich schon zwei Fäden vernäht (288) – mit jeder Einfassung kommt die gleiche Anzahl an zu vernähenden Fädchen dazu.

Dennoch: die erste Reihe Granny Squares ging gut. Schließlich weiß man vorher nie (so richtig), ob die Farbe passt. Die zweite Reihe wollte ich (aus dem gleichen Grund) lieber heute als morgen fertig haben. In der dritten habe ich gehadert, ob Schwarz eine gute Idee ist oder zu hart im Kontrast. Ab Reihe vier wußte ich, dass ich es genau so lasse: bunte Quadrate mit schwarzem Rand. Und sei es nur, um nicht alles wieder ribbeln zu müssen. (Stimmt nicht, ich mag es. Erinnert mich irgendwie an Kirchenfenster).

Mittlerweile sind sieben Reihen gehäkelt und das Projekt ‚Granny Square Decke‘ stagniert. Zu viel auf den Nadeln. Zu anstrengend. Man meint es nicht, aber nichts fordert meinen Nacken und Schultern so sehr, wie Häkeln. In Kombination mit schlechter Sitzhaltung am Computer, Gartenarbeit und Holz stapeln ist es fatal. Die Schmerzen strahlen bis in den Arm.

Seit gestern bin ich also mal wieder wieder getaped und ernähre mich vorwiegend von Ibuprofen. Aber das heißt auch, dass dieser Post kürzer wird, als gedacht. Und dass ich für die Decke länger brauchen werde …

Die von der Nichte so schön nummerierten Granny Square Stapel müssen noch eine Weile hier liegen. So, wie alle anderen Strickereien leider auch.

Andrea ist die Einzige, die meine wachsende Decke bisher bei unserem Skype-Strick (mit Schokoladenkuchen nur für sie) gesehen hat und so viel kann ich sagen: das hier ist ihr zu bunt.

Was meinst Du?

Nun also 2021

„Nirgendwo sind die Nächte so dunkel, wie da, wo meine Großeltern wohnen“, hat der Teenager gesagt, als er noch ein kleiner Junge war, der sich vor dem Einschlafen im großen Haus gruselte. „Dafür sieht man viel mehr Sterne“, war jedes Mal meine Antwort. Daran musste ich denken, als wir jetzt zu Silvester dort waren. Zwar wurde im Dorf die eine oder andere Rakete gezündet, aber schon kurz nach Mitternacht war alles wieder sehr dunkel und sehr ruhig.

Ich konnte Silvester noch nie viel abgewinnen. Nicht mit und nicht ohne Raketen. Der Dunkelheit auch nicht.

Und doch gucke ich bis heute nach den Sternen.

Seit drei Tagen ist Januar. Alles frisch, oder nicht?  Ein neues Jahr ist kein neuer Anfang, schreibt Andrea in ihrem Blogpost. Weil alles weiterläuft, wie vorher auch. Immer noch Covid, immer noch Winter. So vieles geht mir durch den Kopf, seit ich ihren Post gelesen habe, aber im Wesentlichen zwei Dinge:

(1) Alles auf Anfang heißt für mich nicht: alles nochmal. Es hat mehr von: Etappenziel erreicht. Innehalten und zurückblicken, ehe es weitergeht. Weil alles so schnell geht. Jedes Jahr ein bißchen schneller.

(2) Wenn ich so zurückblicke, sehe ich vor allen Dingen, dass und wieviel Glück wir – der Mann und ich – hatten in 2020. Glück und uns. Gesund, mit Job, ohne finanzielle Einbußen. Mit Garten und Platz in einem langen Sommer. Mit engen Freunden, die jetzt noch enger sind. Mit einem Teenager, der – Glückskind und Sportler – zwar weit davon entfernt ist, Klassenbester zu sein, aber seinen Weg macht. Egal, wie widrig die Umstände.

Was sehe ich noch?

Ravelry sagt, ich habe 2020 14.330 Meter in 30 Projekten verstrickt und 5.463 Meter in 5 Projekten verhäkelt. Da kommt noch der wachsende Kolding mit bisher 1.500 Metern dazu.

21.293 Meter – einundzwanzigtausendzweihundertdreiundneunzig! – in 36 Projekten.

Die jeweils größten Projekte – die gehäkelte Granny-Decke mit 2.125 Metern, die gestrickte Kinderdecke mit 2.310 Metern und die rosa Jacke aus Kaschmir (immerhin 1.800 Meter). haben dieses Haus verlassen.

 

Jetzt also 2021. Jahresanfang.

Ich habe keine Vorsätze, nur Wünsche. Sowas wie Alltag für den Teenager, das wäre schön. Und dass der Mann im Lauf des Jahres vielleicht nach Berlin versetzt wird. Das wäre auch schön. Was noch? Weiterhin stricken mit den Besten, Impfungen für Alle und Weltfrieden.

Wünschen kann man sich alles!

 

 

 

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Für meinen heutigen Post muss ich bißchen weiter ausholen: mit 18 waren meine Leistungskurse in der Schule Geschichte und Englisch. Danach habe ich Hotelfach gelernt, Veranstaltungen organisiert, war selbstständig, dann pleite, habe in Oregon gelebt, mich wieder berappelt, bin über Umwege in Berlin gelandet und habe hier viel Geld verdient.

Als ich schuldenfrei war, habe ich gekündigt, um mich – 18 Jahre nach dem Abitur – an der Humboldt Universität in Berlin einzuschreiben. Die Lieblingsfächer unverändert: Geschichte und Amerikanistik. Parallel zum Studium habe ich 20 Stunden in der Woche gearbeitet, bin einmal um- und dann mit dem Mann zusammengezogen, der Teenager kam auf die Welt. In dem Jahr, in dem er eingeschult wurde, habe ich meinen Magister gemacht. Mit einer Arbeit über Hillary Rodham Clinton.

Heute bin ich Historikerin und Feministin.

Rückblickend weiß ich nicht mehr, wie ich das alles unter einen Hut bekommen habe.  Es muss die Frage nach dem Verhältnis von Macht, Sex und Gender in amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewesen sein, die mich tatsächlich nie wieder losgelassen hat. („Cracking the highest, hardest glass ceiling“ übrigens auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte).

Die Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012, dieses Gefühl nach der Wahl 2016 – es hat sich mir eingebrannt, das weiß ich jetzt wieder. Heute ist alles anders als vor vier Jahren und dabei genauso schlimm. Oder schlimmer?

Behauptungen ohne Belege, Schimpftiraden, Verschwörungstheorien, Verleumdungen, Lügen. Eine Strategie der verbrannten Erde, die auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint.

Pennsylvania, Georgia, Arizona, Nevada. „Democracy is sometimes messy.“ Die Jahre vor Trump kommen nach Trump nicht wieder, heißt es. „America first.“ Was jetzt rot ist, wird dann blau. „Buy American.“

Aushalten kann ich es nicht, also verweigere ich Nachrichten und Internet. Gleichzeitig will ich alles wissen. Bis ins letzte Detail.

Es ist Geschichte und Englisch. Es ist nicht mein Land. Weiß der Himmel, warum mir das so nah geht.

In den letzten Tagen habe ich immer wieder gehäkelt. Kleine Quadrate aus kleinen Wollresten. Eins nach dem anderen. Vier Gramm sind genug für Jedes. Stäbchen sind meine Lieblingsmaschen. Wußte ich das vorher schon? Nichts macht mich so gelassen, wie wieder und wieder den Faden zu holen und ihn durch eine Schlinge zu ziehen. Ein Mantra, übersetzt in Wolle.

Dabei sollte es das Projekt eigentlich gar nicht geben. Spontan hatten Magda und Andrea mir vergangene Woche davon abgeraten, als ich ihnen die ersten beiden Quadrate gezeigt habe. Sie wären zu unruhig.

Meine Hände haben das offensichtlich nicht gehört. Nun sind es viele Quadrate und es werden immer mehr (so, wie die abgegebenen Stimmen für die Demokraten). Sie werden immer diverser (so, wie die demografische Entwicklung in den USA).

Mit Glück wird es eine Decke. Fertig wird sie wohl noch bevor dieses unwürdige Spektakel zu Ende ist.

 

Fast ein UFO, aber eben nur fast

2013 habe ich Garn gekauft für ein schwarzes Lacetuch. Kaum dicker als ein Zwirnsfaden, jedes Knäuel nur 25 gr. und trotzdem 340 m (hallo?! dreihundertvierzig Meter!). Rückwirkend ist mir dieser Kauf unerklärlich.

Ich weiß noch, dass ich die Anfänge mitgenommen habe, um beim ersten YarnCamp daran zu stricken. Auch das eine Idee, auf die ich heute nicht mehr käme. Heute würde ich Socken stricken oder kraus rechts. Irgendeinen no-brainer. Wie heißt es so schön? Erfahrungen sind dazu da, dass man sie macht. Weit bin ich damals nicht gekommen mit meinem Tuch.

2014 hatte ich es – glaube ich – kein Mal in der Hand, immerhin habe ich im Oktober (03.10. „Fall Confessions“) darüber gebloggt; auch wenn dieser Blogpost irgendwo im Nirwana verschwunden ist. Auf Ravelry kann ich die Anfänge noch sehen.

Nirwana … Steilvorlage … Wenn ich das richtig weiß, bedeutet Nirwana sowas wie Zustand der Vollkommenheit, die Seele im Gleichgewicht. Kann es sein, dass wir (in der westlichen Welt?) das Wort total falsch benutzen?! Verschwunden im Nirwana hört sich mehr nach „verschwunden im Nichts“ an, als nach „Seele im Gleichgewicht.“ Wie dem auch sei, das Lace-Garn heißt Nirvana.  Wäre ich Herstellerin dieses Fädchens – ich hätte es anders genannt.

Aber gut. Zurück zu meinem wachsenden Tuch, mit dem ich dann auch 2015 nicht wirklich weiter gekommen bin. Immerhin habe ich wieder darüber gebloggt. Im Mai, im Juni (01.06. „Update on WIPs and Life“, auch dieser Post ist verschunden) und im September.

Im Sommer 2016 war Schluß. Da habe ich das Tuch, das nicht werden wollte, geribbelt. Dem Blogpost zu Folge, war es ungefähr halb fertig und ich hatte meine Gründe.

Wolle kann einen mich vorwurfsvoll angucken. Das weiß ich seither.

Also habe ich irgendwann neu angefangen. Wahrscheinlich 2018. Anfang 2020 war ich auf jeden Fall schon ziemlich weit. Dieses Mal habe ich gehäkelt, nicht mehr gestrickt. Ein Granny-Tuch, dreieckig aus der Mitte heraus mit einer 2,5er Nadel. Reihen, die immer länger wurden. Länger und länger und länger.

4 Knäuel hatte ich, die sollten da rein. Weil ich damit ganz sicher nichts anderes mehr mache. Nie mehr!

Nach dem Spannen ist es unglaublich weich, sehr leicht (100 gr), an der langen Seite ungefähr 2 Meter lang, total schlicht und irgendwie schön. Ich glaube, ich mag es.

Man könnte es also ein HappyEnd nennen.

Sieben Jahre für ein Tuch – wenn das nicht gut abgelegen ist, weiß ich es auch nicht. Den Platz beim karminroten Samstagsplausch hat es sich redlich verdient.