Solvi Sweater

“When people see me knitting, I tell them I’m a knitter. Not the sort of knitter they may have run into before, but a passionate, constant, deliberate knitter. I knit everyday, all the time, everywhere I go.” Das sagt Stephanie Pearl McPhee, Autorin, Bloggerin, @YarnHarlot auf Instagram, Großmutter von Elliott, Strickerin (natürlich) und unfassbar begabt, wenn es darum geht, Worte und Wolle in etwas ganz Wunderbares zu verwandeln.

Sie strickt immer und überall. Ich schreibe das nicht ohne Neid.

Vermittelt es doch ein Maß an Selbstbewußtsein, dass ich nicht (immer) habe. Wie oft habe ich deshalb schon in der U-Bahn gesessen, im Wartezimmer oder irgendwo draußen … mit Strickprojekt in der Tasche. Und da blieb es auch. Weil ich keine Lust hatte auf Blicke oder Kommentare.

Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass das Stricken, die Beschäftigung mit Wolle, Anleitungen, Maschen, Mustern und Farben das Beste ist, was meinem Verstand passieren konnte. Ich habe nur nicht immer Lust, das zu erklären.

Stattdessen erwische ich mich im Verteidigungsmodus, wenn mir (mal wieder) jemand erzählt, dass die Oma auch gestrickt hat, wenn ich gefragt werde, ob ich auch „was Richtiges“ mache oder wenn ich das Gefühl habe, anders behandelt zu werden, weil ich Nadeln in der Hand halte (nicht zwingend besser).

Zur Zeit ist der umwerfend schöne Solvi Sweater mein Lieblingsprojekt. Er wird so schön, dass ich die Passe langsamer gestrickt habe, als nötig gewesen wäre. Einfach, um länger etwas davon zu haben.

Das Garn ist Kauni, Wolle aus Estland. Einmal bunt, einmal grau. Wie im richtigen Leben. Den Regenbogen hat mir Juliane im März 2017 geschenkt; das Grau habe ich im Januar 2018 in Schweden dazu gekauft. Alles gut abgelegen also.

Kauni ist bißchen rauh, bißchen fettig und riecht nach Schaf; 150 gr. haben eine Lauflänge von 600 Metern. Es ist Wolle, die (wie so viele andere) meine Lieblingswolle werden könnte. Zu sehen, wie ein Pullover daraus wächst, macht mich glücklich. So glücklich, dass ich tatsächlich auch in der Öffentlichkeit daran stricke. Ich habe eine Mission. Ich bin entschlossen, Farbe in die Berliner U-Bahn zu bringen. Farbe und gute Laune 😉. Wer Berlin kennt, weiß, dass das nicht immer einfach ist.

„Knitters use knitting to value-add to the world,“ ist übrigens auch von Stephanie Pearl McPhee.

So isses.

Die Anleitung zum Solvi Sweater ist von Jennifer Steingass (@knit.love.wool auf Instagram); dazu inspiriert hat mich Andrea mit ihrem Gardengate Sweater.

Die geniale Idee, mit einem provisorischen Maschenanschlag zu beginnen, um den Kragen erst zum Schluß zu stricken und damit sicher sein zu können, dass er sitzt, wie er sitzen soll, verdanke ich Sophia.

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Einfach mal machen

„Einfach mal machen!“ habe ich Anfang des Jahres gedacht und angefangen, Dinge, die hier seit Ewigkeiten rumlagen, online zu verkaufen oder zu verschenken. Über das, was ich seither erlebt habe, könnte ich viele Geschichten erzählen: manche wunderbar, andere ärgerlich, viele skurril.

Der Hit waren Kühlschrankmagnete, (ich hätte nie gedacht, dass jemand darüber so glücklich sein würde), aber auch der Butterdosendeckel meiner Schwiegermutter, der jetzt irgendwo in Süddeutschland wieder mit einem passenden Unterteil vereint ist. Größtes Ärgernis war ein verkauftes Festplattenlaufwerk (weil ich zugelassen habe, dass mich jemand über den Tisch zieht) – da will ich gar nicht mehr dran denken.

Wie gesagt, viele Geschichten und bei allem wahrscheinlich nur eine Frage von Zeit, bis ich nicht nur Dinge loswerden würde, sondern auch gucken, was andere verkaufen …

Eine Hutform aus Holz  wurde mir zum Verhängnis. Fünf verschiedene wollte der Verkäufer mir verkaufen, drei habe ich ihm abgenommen, eine davon (rechts im Bild) sofort weitergeschickt.

Und die Beiden, die hier blieben? „Einfach mal machen!“- genau.

Die Kleinste war mit Pergamentpapier beklebt. Papier und Kleister zu entfernen hat lange gedauert und war eher nervig … Es deutlich mehr Spaß gemacht, das Holz im Anschluß mit Schleifpapieren unterschiedlicher Körnung zu schleifen, bis die Form ganz glatt war.

Schön wurde sie dann mit Leinöl: auftragen, einwirken lassen, den überschüssigen Rest abnehmen und am übernächsten Tag das Ganze von vorne: schleifen, ölen, einwirken lassen, abnehmen, trocknen.

Jetzt, nach vier Wiederholungen, scheint das Holz satt zu sein. Die Patina ist geblieben. Man sieht, dass die Hutform alt ist. Dass sie mal bemalt wurde in rot und grün. Macht aber nichts. Im Gegenteil. Ich mag sie und fasse sie unglaublich gerne an – Mützen werden sie lieben.

Die zweite Hutform habe ich bisher erst grob geschliffen. An einer Stelle musste ich sie mit Holzleim kleben und mit Klebeband „tapen“. Das muss jetzt erstmal trocknen.

Das Holz ist viel heller und ich bin gespannt, wie es sich mit Leinöl verändern wird.

In Zukunft werde ich wohl mehr Mützen stricken (müssen), damit Kauf und Engagement sich rechnen 😉.

Dabei geht Stricken eher langsam zur Zeit … Vom Pullover sieht man erst die Anfänge, die (zumindest für mich) aussehen, wie viele kleine Berliner Fernsehtürme. Sind es aber nicht. Mal sehen, wie weit ich mit der Passe komme im Verlauf der Woche.

Und ehe das Wochenende wieder „vorbei, vorbei, nichts wie vorbei“ ist, schicke ich diesen Blogpost ganz schnell zu Andrea und nehme mir dann wieder den Pullover vor.

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kleine Jacke

Vor fünfeinhalb Jahren verließ eine kleine Jacke aus Wolle in der Farbe von Himbeeren mein Haus. Ich erinnere noch, wie ich sie kurz vorher in den Garten gehängt und fotografiert habe.

Sie sollte ab dann ein wildes, buntes Leben führen …

Auf Spielplätzen und Kindergeburtstagen, in Parks und in der Kita. Überall war sie dabei. Hautnah sozusagen. Mit dem ersten Kind, dem zweiten, dann dem dritten. Und ich glaube, sie mochte es. Schließlich war sie dafür gemacht.

Aber nicht alles war schön. Das große Loch im rechten Ärmel tat ebenso weh, wie die neuen (furchtbaren) Knöpfe. Aber egal wie weit sie ihre Knopflöcher machte, die pinken Ungetüme hielten. Welches der drei kleinen Mädchen die wohl ausgesucht hatte?

Anfang des Jahres, als es in der Familie niemanden mehr gab, der die kleine Jacke tragen konnte, kam sie zu mir zurück.

Sie sah mitgenommen aus.

Mein erster Reflex? Ab in die Tonne! Das wird nichts mehr …  Aber dann hing sie hier und irgendwie rührte sie mich. Also habe ich sie gebadet, sich ausruhen lassen und sie dann mit dem Fusselrasierer „frisiert“. Der Fusselberg war beachtlich!

Und weil es den Wollrest von damals noch gab, konnte ich das Loch stopfen und die Knopflöcher zunähen. Danach habe ich ausgeleierte Maschen zurechtgezogen und schließlich die Knöpfe abgeschnitten.

Wenn Jacken aufatmen können, war das der Moment.

Nun hängt sie hier wieder und ich sehe gerne, wie schön sie ist. Ein neuer Besitzer ist schon gefunden. Seine Mutter kauft einen passenden Reißverschluß, den werde ich einnähen und dann macht sie sich wieder auf den Weg.

Fünf Jahre ist sie alt, drei Mädchen haben sie getragen. Nun kommen ein kleiner Junge und weitere Jahre dazu. Damit ist sie älter, als so manches Kleidungsstück „von der Stange“. Das macht mich fast ein bißchen glücklich.

So schön, wenn das, was ich stricke, geliebt und getragen wird! Je öfter, desto besser. Natürlich hinterläßt das Spuren – na und? Das meiste läßt sich wieder beheben.

Auf ein Neues also! Wir sehen uns wieder, kleine Jacke 💖

 

Geteilt im Samstagsplausch von Andrea Karminrot

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Aller guten Dinge …

Aller guten Dinge sind drei, heißt es. Daran musste ich denken, als ich zum Test-Strick von Carissa Browning angenommen wurde. War es doch das dritte Mal, dass ich eines ihrer Designs stricken würde – wenn auch das erste Mal im Rahmen eines Test-Stricks.

2017 habe ich ihren Wonder Woman Wrap gestrickt. Im Original hat er zwei Farben – rot und gold – meiner wurde zusätzlich blau (wie die Hose der Comic-Figur). Dazu gibt es auch einen Blogpost, der neben Rezension der Anleitung auch Filmkritik ist. (Toller Film! Ist das echt schon so lange her?!)

Wie dem auch sei, nachdem ich den ersten Wrap verschenkt habe, habe ich 2019 einen zweiten gestrickt. Auch über den habe ich geschrieben – über die so geniale Konstruktion, die endlosen Reihen, das schöne Merino-Garn und die knalligen Farben. (Note to self: den trage ich zu selten. Das sollte ich ändern).

Im Spätsommer 2020 kam dann das zweite Projekt von Carissa Browning dazu: der Dissent Cowl in Erinnerung an Ruth Bader Ginsberg.

Von Anfang an gab es eine Strick- und eine Häkelanleitung für diesen Kragen, den sie in Anlehnung an RBG’s berühmten Dissent Collar entworfen hat. Der Erlös aus dem Verkauf beider Anleitungen ging (mega-coole Aktion!!) bis zum Wahltag am 3. November 2020 zu 100% an ACLU, die American Cicil Liberties Union, die sich für Bürgerrechte einsetzt (z.B. das Recht auf Abtreibung, Meinungsfreiheit, die Abschaffung der Todesstrafe, die Rechte von Homosexuellen usw.). Der Dissent Cowl wärmt also nicht nur der Hals, sondern auch das Herz. Und natürlich gibt es auch dazu einen Blogpost.

Auf Ravelry heißt es übrigens in der Anleitung: „From the day of Justice Ginsburg’s death on September 18, 2020 through Election Day on November 3, 2020, the usual 20% donation was increased to 100% in RBG’s memory. During this time, between the knitted and crocheted versions of this pattern, we raised a total of $41,152.10 for the ACLU!“

Macht mich immer noch stolz und glücklich, da mitgemacht zu haben!

Nun also das dritte Projekt. Weder politisch, noch feministisch ist es dieses Mal einfach nur eine Mütze: the #NieflingHat. Der hat es jedoch in sich – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn er kann beidseitig getragen werden.

Vielleicht habe ich mich deshalb mit der Farb- und Garnauswahl so schwer getan. Aber letztlich – aller guten Dinge sind drei! – bin ich mit der dritten Variante sehr, sehr zufrieden: das Bunte ist REGIA 4fädig, der Kupferton ist Alpaca von hessnatur. Die Farben tun sich gut, die fertige Mütze ist elastisch und weich – alles so, wie ich es wollte. (Zu den Varianten 1 und 2 gibt es Bilder auf Ravelry sobald die Anleitung verfügbar ist).

Vier Mützen in einer, gestrickt in vier Techniken, die ich bisher nicht angewandt hatte. Manchmal sind alle guten Dinge vielleicht vier und nicht drei …

 

Verlinkt zu Andreas Samstagsplausch.

 

 

Neujahr

Neujahr ist eine Woche her und es fühlt sich an, als wären es Monate. Draußen ist es kalt und wie in jedem Jahr irritiert mich das. Geht es Euch auch so? Pünktlich zu Neujahr denke ich, das war’s jetzt mit Kalt, jetzt kommt Frühling. Was ja Quatsch ist. Der Winter hat gerade erst angefangen. (Für die, die das verdrängt haben: Frühlingsanfang ist am 20. März … dauert also noch einen Moment).

Und doch geht es mir verläßlich jedes Jahr aufs Neue so.

Aber ich weiß mich zu trösten 😉:

Neujahr = neuer Pullover! Und was für einer! Vorgestern spät abends war der Grüne fertig und ich bin so begeistert, dass ich noch in der Nacht ein Bild gemacht habe. Schlechtes Licht, im Hintergrund der Duschvorhang. Alles egal. Ich möchte ihn zeigen!

Danke Andrea und Magda für die Raglanschrägen-Beratung. Und wenn Stefanie nicht so energisch geworden wäre, als ich ribbeln wollte (und sie kann wirklich energisch werden), wäre das nie ein Pullover geworden. Euch verdanke ich ein Happy End und der Pullover sein Leben 😘.

Nun liegt er hier ‚rum, trocknet vor sich hin und ich kann nur schwer aushalten, zu warten, bis ich ihn tragen kann. Wie erhofft ist das Muster aufgegangen und zumindest auf dem Wäscheständer sieht es aus, als wäre er definitiv weit genug (keine Wurstpelle). Außerdem hat sich die Regia Premium Merino Yak – wie erwartet – beim Waschen nochmal total verändert und ist jetzt (noch) weich(er), total „squishy“ und ganz leicht. So so so klasse!

Und dann natürlich diese Farbe – habe ich schon mal erwähnt, wie unglaublich schön ich die finde? 🙃

Gestern Abend also alle Nadeln frei. Ein sehr bizarres Gefühl. Erst recht nachdem ich mit Pia zum virtuellen Stricken verabredet war. Irgendwas musste her, also habe ich Pulswärmer angefangen – vier Mal – und genauso oft geribbelt. Es ging einfach nicht.

Heute morgen dann Neujahr = neues Projekt! Wieder ein Pullover. Wahrscheinlich auch wieder für mich. Mal sehen, wie es läuft. Die Maschenprobe stimmt nicht ganz, das Garn ist bißchen dicker als es sein sollte, aber ich bin guten Mutes. Zumal ich große Lust habe, genau dieses Garn zu verstricken.

Kauni ist dänisch, es gibt super viele, super schöne Farben und sollte ich es mit irgendwas vergleichen, wäre das wohl Lettlòpi. 100% Wolle, die hier liegt, seit ich sie 2018 in Schweden gekauft habe. Während ich stricke, meine ich, neben mir sitzt ein kleines Schaf. Denn genau so riecht es. Also alles eher rustikal. Mag ich sehr! Sowieso und im Kontrast zu dem grünen Pullover noch mal mehr.

Schon toll, was es alles gibt! Und noch toller, dass ich das alles haben, anfassen, verstricken kann! Fun Fact am Rande: als ich dem Teenager die Wolle zeigte (eigentlich wegen Geruch und Haptik, aber gut …) guckte er einmal drauf und meinte „Cool, fast wie Deine Haare“. Wenn ich in den Spiegel sehe, sind meine Haare braun wie auf dem Bild mit Duschvorhang. Wenn ich Bilder von mir sehe, sind sie fast weiß – so, wie die Wolle. Wie kann das sein? Ist irgendjemand da draußen, der oder die mir das erklären kann?

Bis dahin stricke ich noch die eine oder andere Runde.

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