Bakers‘ Twine

Ende April wurde die Schwester meines Schwiegervaters 92, tags drauf war der 86. Geburtstag meiner Schwiegermutter. Beide Damen wohnen im gleichen Ort, es wäre einfach gewesen hinzufahren, aber sie wollten es nicht. Sie wollten in diesem Jahr lieber auf Gäste verzichten. Und bitte auch keine Geschenke. Da hätte sich eh so viel angesammelt, was sie gar nicht mehr brauchen würden …

Was hättet Ihr gemacht? Wir waren wirklich kurz davor trotzdem zu fahren. Ich meine, mal ehrlich – 92 und 86. Natürlich wünsche ich mir, dass beide noch lange leben, aber wie viele Geburtstage wir noch zusammen feiern können, weiß der Himmel. War echt nicht leicht ihren Wunsch zu respektieren. Also habe ich gedacht: wenigstens schenken! Irgendwas Kleines!

Topflappen – die braucht man immer.

Vier Stück habe ich gestrickt, nach der wunderbaren Anleitung von Ducathi.

Bisher hatte ich nur den Badvorleger im gleichen Design gemacht – ein ungleich größeres und langwierigeres Projekt. Nun also das Original und das war ein großes Vergnügen! Jeden Tag wurde einer fertig – die gingen rasant schnell von den Nadeln.

Überdies hat es Spaß gemacht in meinem ‚Catania-Fundus‘ zu kramen und dann immer zwei Farben so mit einer dritten für den Kringel zu kombinieren, dass jeder Topflappen das aussagte, was er sagen sollte: ein bißchen ‚was von uns.

Das Ganze in Farben, die die Damen mögen. Für jede ein Paar, aber nicht identisch. Denn warum sollen Paare immer gleich sein?! Der Mann und ich, wir sehen uns ja jetzt auch nicht sooo ähnlich …

Angefangen habe ich mit dem Himmel über Berlin. Blau-weiß meliert für den Lappen und ein gelber Kringel, der wahlweise für Sonne oder Goldregen steht. Das sind Farben, die meine Schwiegermutter gerne hat.

Dann kam grün-hellgrün für unseren so unfassbar grünen Garten, dazu ein roter Kringel für Tulpen oder Äpfel, Johannisbeeren, Tomaten oder Erdbeeren – irgendwas ist immer rot zwischen Frühling und Herbst. Wenn die Tante uns in Berlin besucht, besteht sie darauf mir im Garten zu helfen. Ich wußte deshalb, dass sie die Farben lieben würde. Und so war es auch.

Der nächste Topflappen wurde blau-dunkelblau mit gelbem Kringel, weil das unsere Farben sind. War mir gar nicht klar, was hier alles blau-gelb ist, bevor ich angefangen habe, mich nach möglichen Bildmotiven umzusehen. Den fertigen Topflappen hat auch die Tante bekommen.

Der vierte wurde dann wieder für die Schwiegermutter. Sie mag die zarteren Farben: gelb-weiß wie die neu gemachte Fassade unseres Hauses, dazu ein flaschengrüner Kringel für Haustür und Garagentor.

Jeden Topflappen habe ich schließlich gerollt und eine Papier-Banderole drumgebunden, auf der stand, wie er heißt – also „Himmel über Berlin“ oder „Garten“ oder so – bemalt in den jeweiligen Farben, aber da habe ich dann offensichtlich kein Bild mehr von gemacht. Sah auf jeden Fall sehr schön aus (fand ich).

Beide Geburtstags“kinder“ schienen hocherfreut und bedankten sich herzlich. Das wiederum hat mich gefreut und ich denke jetzt darüber nach, vielleicht doch noch ein paar Topflappen auf Vorrat zu stricken 🙃.

So als schönes kleines Projekt für unterwegs – wobei ich zur Zeit ja gar nicht unterwegs bin … #stayhomestaysafe … Aber irgendwann wird auch das vorbei sein. Irgendwann ist (hoffentlich!) wieder Alltag!

(K)ein neuer Pullover

Als ich das letzte Fädchen abgeschnitten und vernäht habe, dachte ich, ich hätte einen fabelhaften neuen Pullover. Aber es kam anders und das aus zwei Gründen:

Zum einen ist – wie ich jetzt weiß – ein im Rippenmuster und mit 5er Nadeln gestrickter Pullover nichts, was für mich und meine Figur gemacht ist.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Zum anderen konnte ich gar nicht so schnell gucken, wie der MEIN! Pullover den Besitzer wechselte. „Kann ich den mal anprobieren? Vielleicht steht er mir ja besser.“ Danke ja, streu Salz in die Wunde.

Was soll ich sagen: der Teenager hatte Recht, turnte grinsend durch den Garten und erlaubte sogar, dass ich Bilder mache.

Nun hat ER also einen Pullover, der im Wesentlichen auf der schönen Weekend-Sweater Anleitung von Schachenmayr basiert (nur der Ausschnitt ist anders), gestrickt in Merino von Grossewolle in grau, blau und orange. Bejubelt habe ich die schon im Dezember: Tolle Struktur, schöne Farben, wunderschönes Maschenbild, Lieblingswolle.

Erst Recht jetzt, wo der Pullover gewaschen ist. Das hat die Wolle noch mal ein bißchen verändert. Kann griffig das Gegenteil von weich sein? Dann kann man sie damit wohl am besten beschreiben. Sie kratzt nicht, sie ist einfach nur genau so, wie Wolle wohl ist, wenn ein Schaf sie einen deutschen Winter lang darauf vorbereitet hat, ein Strang zu werden.

Vielleicht müßt Ihr das einfach mal ausprobieren. Ihr solltet halt nur sehr genau gucken, nach welcher Anleitung Ihr strickt und ob ein Teenager in der Nähe ist …

Nightshift Shawl reloaded

Seit drei Wochen ist hier jetzt home office (ja, auch home schooling) angesagt und fast genauso lang wird die Fassade unseres Hauses neu gemacht; das heißt, das Haus ist zu. Alle Fenster sind mit Plastikfolie verklebt. Die Haustür auch. Offen ist nur noch die Kellertür. Ende (bisher) nicht absehbar. Bei beidem.

Drinnen der Teenager und ich, draußen die Welt. Der Mann bleibt vorerst in Bonn. Mehr Quarantäne geht nicht.

Alle Tage sind gleich. „Für den Fall, dass Ihr den Überbiick verloren habt:“ schreibt textautomat auf twitter, „Heute ist der 59. März.“ (Kein Tippfehler. Da steht wirklich 59. März). „Welches Jahr?“ möchte ich fragen.

Jeden Morgen bin ich am Schreibtisch, jeden Tag hake ich irgendetwas auf meiner wollte-ich-schon-lange-zu-Hause-machen-Liste ab und dennoch bleibt (gefühlt) mehr Strickzeit als sonst. Zeit, sich um angefangene Projekte zu kümmern, ehe daraus eine wollte-ich-schon-lange-fertig-stricken-Liste wird …

Und so fügt es sich, dass nicht nur die Abflüsse von zwei Waschbecken sauber sind (🤢), auch beim Iceroad Shawl ist das letzte Fädchen vernäht. Das Bücherregal im Wohnzimmer ist ausgemistet und neu sortiert; gleichzeitig ist meine Variante des Nightshift Shawl fertig geworden (… der hier seit dem 23.09.19 gelegen hat … ich sag da jetzt nichts weiter zu).

So sah er vorher aus. Das war zwar schön, aber (mir) definitiv zu warm, zu schwer, zu groß, zu viel.

Also habe ich ihn bis zur Hälfte geribbelt, um ab da nicht weiter zuzunehmen (wie es die Anleitung verlangt), sondern abzunehmen. Im Muster zwar, aber mit nur einer Farbe. Auch das steht so nicht in der Anleitung. Dadurch bleibt er in der Länge unverändert (irgendwas um die 2.20m), aber ist insgesamt tragbarer.

Es gibt also eine Grundfarbe und ein Muster (das Gomitolo Knäuel mit 200 gr) über das gesamte Tuch und bunten Mosaik-Strick (4 Farben novomerino von kpc) in nur einer Hälfte.

So sieht das getragen aus. Schlau wäre es gewesen, die „neue“ Hälfte von rechts zu fotografieren und nicht von links, aber nun ist es so. Ich habe es eben erst bemerkt und heute ist kein Licht für vernünftige Bilder.

Was meint Ihr?

Ich bin leider nur bedingt glücklich mit dem Gomitolo-Garn. Die Farben und Längen der Farbverläufe sind zwar super schön, aber ich fühle den Acryl-Anteil von 50%. Nicht in der ersten, bunten Hälfte (was wohl daran liegt, dass da das kpc Garn überall mit drin ist), aber in der zweiten. Und das ist schade. Mal sehen, ob und wie sich das beim Tragen ändert.

Ich werde berichten.

Iceroad Shawl

Zu behaupten, dass hier alles nach Plan läuft und Strickprojekte fast von alleine fertig werden, wäre gelogen. Viel eher habe ich das Gefühl, dass nichts passiert. Gar nichts. Draußen fahren keine Autos, gehen keine Menschen und auch drinnen bewegt sich nichts oder nur wenig.

Alles wie in Zeitlupe. Irgendwie hat das sogar was. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einfach nur ‚rum gesessen habe. Das genieße ich total – wissend, wie priviligiert ich bin. Weil ich gesund bin und weil die, die mir wichtig sind, das auch sind. Weil ich von zu Hause aus arbeiten kann, keine Gehaltseinbußen habe und entsprechend auch keine Existenzängste. Weil das Internet schnell ist, der Kühlschrank voll und das Wasser aus der Wand immer verfügbar – unbegrenzt Hände waschen also.

Und so ist Masche für Masche der Iceroad Shawl fertig geworden. Das Tuch, zu dem Maike (@Skudderia_Fineyarns) von Catharinas (@ducathi) Baker’s Twine Topflappen inspiriert wurde. Das habt Ihr im Februar vielleicht auf Instagram gesehen.

Ich mag die Anleitung des Tuches sehr, vor allen Dingen die Idee der verkürzten Reihen, die dazu führen, dass das fertige Tuch eine (für mich) sehr tragbare Form hat. Und das mit nur knapp zwei Knäuel Regia Premium Bamboo. (13 gr. sind übrig geblieben). Es ist jetzt nicht riesig-riesig geworden, aber groß genug, um es sich nicht nur umlegen zu können (mag ich eh nicht), sondern es auch zu knoten (mache ich immer). Allerdings haben mir die letzten Reihen auch viel Geduld abverlangt … Die waren endlos.

Mit 4er Nadeln gestrickt, ist der Iceroad Shawl schön locker geworden. Er fällt toll. Ich mag vor allen Dingen den leichten Glanz, aber – um der Wahrheit Genüge zu tun – Bamboo ist nicht mein Favorit aus der Premium Serie. Irgendwie dachte ich, dass es sich durch waschen und spannen deutlicher verändern würde. Hat es aber nicht. Es wird kein Yak 😉 – wie auch, es ist Bambus.

Und warum auch immer es so ist: bei simplen Mustern verstricke ich mich überproportional häufiger als bei allem, was kompliziert ist. ’10 Maschen rechts, 4 Maschen anders‘ ist echt kein Hexenwerk und doch habe ich ungezählte Male geribbelt oder zurück gestrickt. Zwei Mal nicht, zwei Fehler habe ich drin gelassen, wissend, dass mich das später ärgert. So ist es jetzt.

Aber: fertig ist fertig und da freue ich mich drüber.

Photo credit für das Scilla-Blumenbild geht an meine Schwester. Sie hat es mir neulich geschickt und nachdem der Lavendel noch nicht blüht …

Alles anders irgendwie

Ob ich denn gar nicht hamstern wolle, hat mich die Frau an der Kasse des Supermarktes gefragt und dann gelacht. Ich stand da mit meinem Stoffbeutel, während die Menschen um uns herum voll beladene Einkaufswagen aus dem Laden Richtung Parkplatz schoben. Da habe ich dann auch gelacht. Aber wohl war mir nicht dabei.

In den Medien, auf der Straße, in meinem Kopf – überall Corona.

Zum Glück scheint die Sonne in der Hauptstadt, also konnte der Teenager am Sonntag Freunde treffen. Verabredungen, die im Freien stattfinden, erlaube ich (noch). Sie haben dann stundenlang im Park Basketball gespielt, sich ausgepowert und Spaß gehabt. Allerdings ohne sich zu umarmen (wie normalerweise). Ohne „bro fist“ (wie normalerweise). Aber fast so unbeschwert wie noch letzte Woche. Wie vor Corona.

Unfassbar, wie schnell sich die Welt ändern kann. Plötzlich ist alles anders.

Plötzlich geht, was nie ging; Klima oder Migrationsprobleme haben nicht erreicht, was jetzt über Nacht passiert: Menschen verzichten! Auf Autos und Kino und Essen gehen. Auf Konsum. Und warum? Weil plötzlich das eigene Leben in Gefahr ist. Nicht mehr nur das der Anderen. Jede/r achtet jetzt auf sich. Wahrscheinlich zu Lasten eines sozialen Miteinander. Wie kann es auch anders sein, wenn „Soziale Distanzierung“ das Mittel der Wahl ist. Wenn der Postbote, die Nachbarin oder der Klassenlehrer sich in potentielle Feinde verwandeln. Je länger das dauert, um so schlimmer wird es werden.

Aber nun gilt es erstmal die nächsten fünf Wochen zu meistern: Home office und home schooling – damit ist es für mich deutlich einfacher, als für viele andere. Weil es für meinen Job (fast) egal ist, wo ich bin und weil der Teenager kein Kind mehr ist. Er versteht, warum wir zu Hause sind, dass er arbeiten muss, auch wenn keine Schule ist und dass die PlayStation … ach, lassen wir das. Ich fürchte, die wird jetzt mehr beansprucht als sonst. Und so lange er da Fifa spielt, kann ich wohl auch wenig sagen.

Wenn ich da an die Eltern der kleinen Patentochter denke: beide berufstätig, drei Kinder im Kindergarten … (Darf ich helfen? Darf ich nicht?) Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.

Bei Allem wird dennoch Frühling und ich bin entschlossen, diesem verd*mmten Virus etwas Positives abzugewinnen. Also schreibe ich heute mal wieder einen Blogpost.

Morgen ist der vorerst letzte Schultag. Ab dann kann ich jeden Morgen eine halbe Stunde länger schlafen, weil ich niemanden mehr um 7 Uhr vor die Tür schieben muss. Mag sein, dass ich trotzdem weiter um 6 Uhr aufstehe – einfach, weil es draußen dann schon hell ist. Endlich! Darauf habe ich lange gewartet.

Meine Tage werden länger sein. Länger hell und mit mehr Zeit. Entschleunigung. Auch das habe ich mir schon lange vorgenommen. Nur ist es schwer in einer Stadt wie Berlin, wo kaum eine Strecke unter 45 Minuten zu machen ist. Ins Büro und zurück fahre ich jeden Tag 70 km durch den Berufsverkehr. Das fällt jetzt weg. So, wie alle anderen Fahren: zu Verabredungen, zum Basketball, zum Baumarkt, zu Terminen. Findet alles (fast) nicht mehr statt.

Diese Extrazeit werde ich wohl primär im Garten verbringen. Ich werde ihn von Efeu und Unkraut befreien und vielleicht sogar einen Gemüsegarten anlegen. Auch das steht schon lange auf meiner Liste, nur bin ich nie dazu gekommen. Tipps und Empfehlungen nehme ich gerne an.

Vorher werde ich allerdings dem Teenager zeigen, wie man mit der Axt Holz spaltet. Er ist zwar kein Fan von Gartenarbeit (schamlose Untertreibung), aber Brennholz zu machen, könnte ihm gefallen. Damit hätte er einen Ersatz für alle Trainingseinheiten, die seit letzter Woche nicht mehr stattfinden, nachdem die Bezirksämter die Hallen und Spielstätten geschlossen haben. Außerdem liegen die Trümmer der gefällten Walnuß schon seit vier Wochen auf dem Rasen. Wird Zeit, dass die da weg kommen.

Wir werden all das aufessen, was in der Küche in zwei Schubladen liegt: in der oberen die „Rohstoffe“ (Mehl, Zucker, Nüsse, Reis, Nudeln, Gries …), in der unteren Konserven. „Kochen mit dem, was da ist“ ist meine Spezial-Disziplin. Kein Fehler mal wieder nachzusehen, was da eigentlich alles lagert (ehe Lebensmittel-Motten auf die gleiche Idee kommen).

Wenn dann immer noch Zeit ist, werden wir das Zimmer des Teenagers vom Kinderzimmer in das Zimmer eines bald 16jährigen verwandeln; ich werde alles ablegen, was ich seit 3 Jahren Blatt für Blatt auf meinen Schreibtisch im Wohnzimmer gelegt habe (okay, das vielleicht doch nicht) und bei schlechtem Wetter vielleicht sogar den Keller aufräumen.

Natürlich werde ich auch alle Strickprojekte beenden, die hier noch liegen (Spoiler: wishful thinking): den Iceroad Shawl, den halb geribbelten Nightshift Shawl und den Weekend Sweater, an dem nur noch die Arme fehlen. Und bei Allem hoffen, dass Corona bald weltweit der Garaus gemacht werden kann.

Aber ob dann alles wieder so wird, wie es war? Ich habe Zweifel.

Was macht Ihr?